Dämonisches Tattoo
einem der Stühle am Besprechungstisch und starrte aus dem Fenster. In dem Augenblick, in dem er in der Tür erschien, sah sie auf.
»Chase!« Sofort war sie auf den Beinen und auf dem Weg zu ihm.
Munarez war dicht hinter ihr, doch sobald Kate vor ihm stand, hatte er nur noch Augen für sie. Er zog sie in seine Arme und küsste sie. Was als sanfter Begrüßungskuss gedacht war, wurde rasch leidenschaftlicher, so leidenschaftlich, dass er seine Lippen von ihren lösen musste, um sich nicht zu vergessen.
»Mierda!«,
entfuhr es Munarez, die sich zunächst Quinn zugewandt hatte. »Wer hätte gedacht, dass in Ihnen so ein Vulkan schlummert, Ryan.«
Ohne Kate ganz aus seinen Armen zu lassen, schob er sie ein Stück von sich und musterte sie. Soweit er es beurteilen konnte, war sie unverletzt. »Was hast du angestellt?«
»Ich habe meine Kreditkarte nicht benutzt.«
Gegen seinen Willen musste er lachen, wurde aber gleich wieder ernst. »Du hättest dich nicht in Gefahr begeben müssen. Quinn war bereit, seine Aussage per Webcam zu machen. Das hätte genügt, um Frank festzusetzen.«
»Ich wollte mich nicht darauf verlassen, dass es mit dem Kontakt tatsächlich klappt«, gestand sie. »Ich wusste ja nicht einmal, ob er überhaupt einverstanden sein würde, diese Aussage zu machen.«
Ein Seitenblick genügte Chase, um zu sehen, dass der Indianer durchaus einverstanden war. Munarez hatte ihn zum Tisch geführt und bereitete das Aufnahmegerät vor, während sie ihm das Prozedere erklärte. Als die beiden sich setzten und Munarez den Aufnahmeknopf drückte, wandte Chase sich wieder Kate zu.
»Du bist verrückt, weißt du das? Ich habe dir doch gesagt, du sollst –«
»Du hast gesagt, ich soll mich von dir fernhalten«, unterbrach sie ihn. »Das habe ich getan. Du wusstest nicht, wo ich bin – und der Killer auch nicht.«
Nein, das hatte er in der Tat nicht gewusst. Sie hätte sterben können und er hätte nicht die geringste Ahnung davon gehabt! Allein der Gedanke machte ihn schon verrückt. »Was ist denn nun passiert?«
Kate sah kurz zu Munarez hinüber und zog Chase dann zur Wand am gegenüberliegenden Ende des Raums, wo sie das Gespräch der Polizistin nicht störten. Stück für Stück berichtete sie ihm, was geschehen war, seit sie gestern Morgen zum letzten Mal miteinander gesprochen hatten. Chase konnte nur staunen, zum einen über Kates Einsatz und zum anderen über die Offenheit, die Munarez unter Beweis gestellt hatte.
»Cassell ist auf dem Weg ins Krankenhaus gestorben«, beendete Kate ihren Bericht, und obwohl der Mann eine Gefahr gewesen war, wirkte sie traurig. »Seine Waffe war nicht einmal geladen. Das hätte nicht sein müssen.«
»Nein, aber vermutlich ließ es sich ebenso wenig vermeiden.« Frank war erfahren genug gewesen, um zu wissen, was passieren würde, wenn er seine Waffe nicht ablegte, sondern sie stattdessen auf die Polizisten richtete. Was er getan hatte, war aus voller Absicht heraus geschehen. Womöglich war es besser so, denn auch wenn Chase es lange nicht hatte wahrhaben wollen, so hatte Franks Leben doch am selben Tag geendet wie das seiner Frau. Chase trauerte nicht um den Mann, der in seinem Wahn versucht hatte ihn zu töten – er trauerte um den Freund, der er einst gewesen war. Es war tragisch, dass es so weit hatte kommen müssen, aber vielleicht war das von Anfang an das einzig mögliche Ende gewesen.
Zu hören, dass sich Kate zu keiner Zeit wirklich in Gefahr befunden hatte und der einzig kritische Punkt darin bestanden hatte, Munarez davon abzuhalten, sie einzusperren, ohne ihr zuzuhören, erleichterte ihn. »Ich kann dir wohl nicht genug dafür danken, was du für mich getan hast.«
»Da kommt noch ein Aber, oder?«
»Du musst gehen.«
»Wegen der Killersache.«
Er nickte. »Quinn hat dafür gesorgt, dass er mich nicht mehr beeinflussen kann, aber er kann noch immer durch meine Augen sehen und dich auf diese Weise finden.« Er wandte sich an Munarez. »Anita, brauchen Sie Kate noch hier?«
»Nein, sie kann gehen. Ich habe ihre Aussage bereits – zu allem.«
»Geh«, sagte er an Kate gewandt. »Sofort.«
Einen Moment ruhte ihr Blick auf ihm, dann nickte sie und umarmte ihn noch einmal. Ein kurzer zärtlicher Kuss ersetzte alle Abschiedsworte. Ihre Hand glitt von seiner Schulter seinen Arm hinunter. Für einen Moment drückte sie seine Finger, dann machte sie kehrt und ging.
Selten war ihm etwas so schwergefallen, wie sie in diesem Augenblick ziehen zu lassen.
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