Dämonisches Tattoo
hinten ein Schatten über sie legte. Erschrocken fuhr sie herum und erkannte Dr. Edwards. Der Mediziner musterte sie mit gerunzelter Stirn.
»Kennen wir uns?«, fragte er nach einer Weile.
»Kate Lombardi, Doc.«
»Tatsache! Irgendwie habe ich Sie anders in Erinnerung.«
»Da sind Sie nicht der Einzige«, entgegnete sie lächelnd.
Die Aufzugtüren glitten lautlos auf und sie stiegen ein. Edwards drückte den Knopf für das Erdgeschoss. »Stimmen die Nachrichten?«, fragte er, als sich die Türen schlossen.
Es sah ganz danach aus, als sei das die Frage, die sie in den nächsten Wochen am häufigsten gestellt bekommen würde. »Wenn Sie den Wetterbericht meinen – nein. Der stimmt fast nie.«
Er lachte, ein eigenartig kratziger Laut, der von den metallenen Wänden widerhallte. »Nein, ich meinte die Nachrichten über Sie und Ryan.«
»Ich sollte dazu nichts sagen, solange die Ermittlungen noch laufen.« Die Ermittlungen waren ihr gleichgültig, ihr stand nur im Augenblick nicht der Sinn danach, schon wieder über die Ereignisse der letzten Tage zu sprechen – nicht mit jemandem, von dem sie kaum mehr als seinen Namen wusste.
»Ich kann mir nicht vorstellen, dass Ryan das alles getan haben soll.« Sein Blick ruhte auf ihr. »Allerdings ist er zu beneiden. Zweifelsohne sind sie eine ziemlich niedliche Geisel.«
Die Stockwerksanzeige sprang auf Erdgeschoss um und die Aufzugtüren öffneten sich. Kate verabschiedete sich mit einem knappen Nicken und stürmte aus dem Aufzug aus Furcht, er würde beginnen anzügliche Bemerkungen zu machen, wenn sie länger bliebe. Fehlte nur noch, dass er sie
Kleine
genannt hätte!
Sie stieß die Tür auf und trat auf den Parkplatz.
Ein Schwall kühler Abendluft schlug ihr aus der aufziehenden Dämmerung entgegen. Kate blieb einen Moment stehen und atmete tief durch, ehe ihr Edwards einfiel, der dicht hinter ihr war. Nach dem seltsamen Kommentar im Aufzug wollte sie nicht allein sein.
Mit schnellen Schritten überquerte sie den Parkplatz und verließ das Gelände des Reviers. Es war an der Zeit, in das verhasste Hotelzimmer zurückzukehren. Zumindest konnte sie in Zukunft offiziell Munarez anrufen und sich von ihr über die Ermittlungen auf dem Laufenden halten lassen.
Eine kühle Brise fegte um die Hausecken und trieb dichte Regenwolken vor sich her. Den Blick auf die Straße geheftet, in der Hoffnung, ein Taxi zu finden, bevor der Regen einsetzte, ging sie weiter und verfluchte sich bei jedem Windstoß dafür, dass sie nicht einfach auf dem Revier eines gerufen hatte. Wenn sie nicht in den nächsten zwei Minuten eines fand, würde sie zur U-Bahn gehen, auch wenn sie die Ruhe und Schnelligkeit eines Taxis vorgezogen hätte.
Sie folgte dem Gehweg in Richtung der U-Bahn-Station und hielt dabei noch immer nach einem Taxi Ausschau, als sie von hinten gepackt wurde. Sie wollte schreien, doch die Hand, die sich sofort über ihren Mund legte, erstickte jeden Laut im Keim. Ein kräftiger Arm schlang sich um ihre Taille und zerrte sie tiefer in die Schatten einer Seitengasse. Was sie jedoch weit mehr entsetzte als der gewaltsame Überfall, war die Aftershave-Wolke, die ihr in die Nase stieg.
Sie hätte es merken müssen! Niemand hatte sie auf den ersten Blick erkannt. Munarez nicht, Edwards nicht und anfangs nicht einmal Chase. Nur er hatte ihr sofort zugewinkt. Sie hätte es ahnen müssen!
Kate trat um sich und versuchte sich zu befreien, als sich ein Tuch über ihren Mund legte. Ein durchdringend süßlicher Geruch stieg daraus empor und drang ihr in die Nase. Die Welt verschwamm und zerfiel in Dunkelheit.
35
Nachdem Kate gegangen war, hatte sich Chase ans andere Ende des langen Tisches gesetzt und Quinns Aussage mit angehört. Es war ein Bild für Götter, Munarez’ Gesicht zu beobachten, während der Indianer von alten Ritualen, Geistern und Verbindungen sprach. Die Skepsis troff der Polizistin schier aus jeder Pore, trotzdem saß sie so ruhig auf ihrem Stuhl, als hätte sie jemand festgeleimt. Chase hätte schwören können, dass sie die Geduld verlieren und aufspringen würde, doch das tat sie nicht. Kate hatte gute Vorarbeit geleistet.
Auch wenn Quinns Aussage nötig war, dauerte sie ihm viel zu lang. Seit wann saßen sie jetzt hier? Zwei Stunden? Fast schon drei, stellte er mit Blick auf seine Armbanduhr fest. Kostbare Zeit, die sie längst in die Suche nach dem Mörder hätten investieren können.
Der professionelle Teil seines Ichs sagte ihm, dass das Blödsinn war
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