Dämonisches Tattoo
vorsichtig, und als der Killer sich ruckartig von ihr abwandte, rief sie: »Ben! Es ist Ben!«
Der Killer fuhr zu ihr herum und verpasste ihr einen Schlag mit der Faust, der sie samt Stuhl ins Wanken brachte. Sie fiel zur Seite, lediglich die Fesseln hielten sie noch auf dem Stuhl, und rührte sich nicht mehr.
»Kate!« Chase brüllte ihren Namen, obwohl er wusste, dass sie ihn nicht hören konnte und er damit nur dem Killer in die Hände spielte, doch das war ihm egal. In diesem Moment bestand er nur noch aus brennender Sorge. Wieder und wieder rief er nach ihr, doch die einzige Antwort war das leise Lachen des Killers.
Ben Summers’ Lachen.
Damit endete die Verbindung abrupt. Es war jedoch Chase, der sich zurückgezogen hatte. »Es ist Summers!«, rief er, noch ehe sich seine Sicht vollkommen geklärt hatte.
»Qué?«
Munarez starrte ihn wie vom Donner gerührt an. »Ben Summers? Der Kerl, den jeder mag, der ständig mit Cops herumhängt?
Sácatelas!
«
»Dann wissen Sie, wo mein Großvater ist?«, mischte Quinn sich ein. »Haben Sie ihn gesehen, Agent Ryan?«
Chase schüttelte den Kopf. »Nein, aber er hat noch eine Frau in seiner Gewalt, und er erwartet von mir, dass ich sie töte.« Ehe Anita weiter in ihre mexikanischen Flüche abgleiten konnte, beschrieb er, was er gehört und gesehen hatte.
»Diese Scherben«, überlegte er laut, »müssen Fliesenreste gewesen sein. Zumindest würde das zu dem Brennofen passen, den ich gesehen habe. Wir brauchen Einblick in die Gewerberegister!« Dort musste es Hinweise auf eine stillgelegte Fliesenfabrik geben. Es würde Zeit kosten, aber nicht so viel Zeit, wie sie benötigen würden, die Bewerberunterlagen der Polizeiakademie durchzugehen.
Ben Summers. Chase konnte es noch immer nicht glauben, dass ausgerechnet der freundliche, bei allen beliebte Fotograf der grausamste Mörder sein sollte, den D. C. je gesehen hatte. Wie oft hatte er an den Tatorten mit ihm gesprochen, hatte ihm zu erklären versucht, warum ein Mensch zu derartigen Abscheulichkeiten in der Lage sein konnte, und jetzt stellte sich heraus, dass Summers die ganze Zeit nur mit ihm gespielt hatte. Er hatte ihn ausgehorcht und verarscht!
Munarez, die keinen Ton gesagt und auch sonst keine Regung gezeigt hatte, seit er das Gewerberegister erwähnt hatte, sah auf. »Hendersons Tiles«, sagte sie.
Chase runzelte die Stirn. »Die Fabrik?« Als sie nickte, fragte er: »Woher wollen Sie das wissen?«
»Es ist eine kleine Fliesenfabrik, die vor ein paar Jahren geschlossen wurde, nachdem Henderson Junior seinen Vater im Streit um ein geändertes Testament erschossen hatte.«
»Das ist ein Anhaltspunkt, aber nicht mehr.«
»Es ist die einzige Fliesenfabrik, die es hier in der Gegend gab«, erklärte Munarez. »Und soweit ich weiß, steht das Gebäude immer noch leer. Abgesehen davon kennt Summers den Ort – er hat damals die Tatortfotos gemacht.«
Das genügte Chase. »Schicken Sie eine Streife hin«, wies er sie an. »Die sollen sich davon überzeugen, dass tatsächlich jemand in der Fabrik ist. Wir brauchen lediglich die Bestätigung. Summers darf sie auf keinen Fall bemerken!«
»Ich lasse sofort jemanden anfunken.« Munarez war so schnell aus dem Zimmer, dass Chase keine Gelegenheit mehr blieb, ihr weitere Warnungen mit auf den Weg zu geben. Das war auch nicht nötig. Sie war ebenso ein Profi wie die Cops, die sie zur Fabrik schicken würde. Sie alle wussten, was sie taten, das durfte er in seiner Sorge um Kate nicht aus den Augen verlieren. Andernfalls lief er Gefahr, sich in sinnlosen Debatten über Vorgehensweisen und Vorsicht zu verlieren. Dafür hatte er keine Zeit.
»Und was machen wir in der Zwischenzeit?«, meldete sich Quinn zu Wort.
»
Sie
werden sich draußen zu den Kaffeeautomaten setzen und sich nicht vom Fleck rühren, bis wir zurück sind«, sagte Chase. »Wir kümmern uns um den Rest und holen uns diesen Dreckskerl.«
Der Indianer sah ihn lange an, schließlich nickte er. »Nutzen Sie die Verbindung, Agent Ryan.«
36
Nicht einmal eine Stunde später stand Chase im Schutz eines Flachbaus und starrte auf die ehemalige Fliesenfabrik, die wie ein fauliger Zahn in den Nachthimmel ragte. Eine Streife war auf der Rhode Island Avenue unterwegs gewesen, nicht weit von dem Ort, an dem sich die Fabrik befand, in der sie Summers vermuteten. Tatsächlich hatten sie wenige Minuten später über Funk die Bestätigung bekommen, dass jemand in der Fabrik war. Halb hinter dem Haus versteckt
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