Dämonisches Tattoo
Haus.«
Was dieses Mal sogar der Wahrheit entsprach.
Kate nickte. »Danke.« Sie legte den Rückwärtsgang ein, wendete und fuhr ein Stück die Straße entlang, ehe sie in einer Haltebucht stehen blieb. Vielleicht bekam sie Ryan an die Angel, wenn sie sich für ihr aufdringliches Verhalten entschuldigte und ihm deutlich machte, dass sie sich für seine Arbeit als Profiler interessierte. Wenn ihn das auch nicht erweichen konnte, war jeder weitere Versuch, etwas aus ihm herauszubekommen, hoffnungslos.
3
Chase folgte der I-95 in Richtung Süden. Franks neue Wohnung lag in Richmond, ein ganzes Stück weiter von Quantico entfernt als das nördlich gelegene Washington.
Nach dem Anruf des Killers hatte Chase mit dem Gedanken gespielt, sein Treffen mit Frank abzusagen. Da er aber nicht wusste, ob Frank ihn noch einmal einladen würde, hatte er beschlossen, die Gelegenheit nicht verstreichen zu lassen. Abgesehen davon hätte er im Büro ohnehin nichts ausrichten können. Es war den Jungs von der Technik zwar gelungen, den Anruf zurückzuverfolgen, die Spur endete jedoch an einem Münzfernsprecher in Edmonston, nur wenige Straßen vom letzten Tatort entfernt und unmittelbar an einer U-Bahn-Haltestelle. Bis das Einsatzteam vor Ort ankam, war der Gesuchte längst verschwunden. Niemand konnte sich an einen Mann an der Telefonzelle erinnern – auch nicht an eine Frau – und Chase war sicher, dass die Spurensicherung am Telefon und in der Umgebung ebenfalls keine verwertbaren Spuren finden würde.
Was für ein Spiel spielte der Kerl? War er tatsächlich so übermütig, dass er die ermittelnden Behörden herausforderte?
Nein, nicht die ermittelnden Behörden
, korrigierte er sich.
Nur mich.
Immerhin passte dieses Verhalten ins Profil. Es war eine Herausforderung, aus dem Denken entstanden, besser und schlauer zu sein als Polizei und FBI.
Zum ersten Mal seit langer Zeit war Chase froh, dass zu Hause niemand auf ihn wartete. Seine Eltern waren vor vier Jahren bei einem Verkehrsunfall ums Leben gekommen und seine Schwester Ellen lebte mit ihrem Mann in Frankreich. Es gab niemanden, den ihm der Schlitzer nehmen konnte. Wenn er also spielen wollte – bitte sehr!
»Hauptsache, wir kriegen dich endlich, du Arschloch.«
In Richmond angekommen verließ er die Interstate und ließ sich von seinem Navigationssystem durch die Stadt lotsen. Die Adams Street, in der Frank wohnte, lag am Rande des Stadtzentrums in einem Gebiet, das eine Mischung aus Industriegelände und mehrstöckigen Mietshäusern darstellte. Hausnummer 232 war ein achtstöckiges Backsteingebäude, dessen einstmals rote Fassade unter dem Straßendreck einen bräunlichen Farbton angenommen hatte. Ringsherum standen ähnliche Bauten, einige davon schienen als Wohnhäuser genutzt zu werden, während andere den Eindruck verlassener Fabrikgebäude erweckten. Chase fand einen Parkplatz vor dem Haus und stellte den Wagen ab.
Als er ausstieg und zur Tür ging, begann es zu regnen. Er schlug den Kragen seines Sakkos hoch und warf einen Blick auf das Klingelbrett. Es dauerte einen Moment, bis er Franks Klingel fand und sie drückte. Knackend und knisternd erwachte die Gegensprechanlage zum Leben.
»Hallo?«
»Ich bin es. Chase.«
»Siebter Stock.«
Der Türsummer sprang an und Chase schob die schwere Tür auf. Vor ihm öffnete sich ein breiter Eingangsbereich, der von einer nackten Glühbirne erhellt wurde, die an einem langen Kabel von der hohen Decke hing und langsam im Luftzug hin und her schwang. Schatten tanzten über die Wände und den Boden und offenbarten ein abstraktes Mosaik aus verblichenen Bodenfliesen, das nach einigen Schritten unter einem fadenscheinigen dunkelgrünen Teppich verschwand. Zu seiner Linken hingen mehrere Reihen verbeulter Briefkästen an der Wand, von denen der Lack abblätterte.
Chase passierte den Eingang und ging an der breiten Treppe mit dem Holzgeländer vorbei zum Aufzug. Er drückte den Rufknopf und wartete. Sein Blick folgte den beiden Gängen, die hinter der Treppe abzweigten und sich im Halbdunkel verloren. Das Haus war ebenso alt wie verwinkelt. Von zwei vergitterten Milchglasscheiben neben der Eingangstür einmal abgesehen gab es im Treppenhaus keine Fenster, sondern lediglich eine Reihe weiterer nackter Glühbirnen, die in regelmäßigen Abständen von Wänden und der Decke hingen.
Ein leises
Ping
kündigte die Ankunft des Aufzugs an. Ratternd öffneten sich die Schiebetüren. Chase betrat die Kabine, streifte den blinden
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