Dämonisches Tattoo
konnte, war Finsternis, die gelegentlich von Lichtpunkten und -streifen durchzogen war, die von Straßenlaternen über Hausbeleuchtungen alles sein konnten. Sie nahm das Telefon vom Ohr und lauschte. Da erst wurde ihr bewusst, wie still es geworden war.
»Munarez?«, flüsterte sie und kämpfte gegen die aufsteigende Panik an. »Wir sind stehen geblieben. Er hat den Motor abgestellt.«
Schweigen am anderen Ende. Munarez sagte kein Wort, lediglich die Stimmen im Hintergrund dröhnten geschäftig in Kates Ohr. »Munarez?«
»Okay«, rief die Polizistin. »Wir haben ihn. Unsere Leute sind unterwegs. In drei Minuten sind sie da.«
Drei Minuten? Wie lange dauerte es, einen Kofferraum zu öffnen und eine Kugel abzufeuern? Zehn Sekunden? Fünf? »Beeilen Sie sich!«
Kate ließ das Handy fallen und umklammerte das Pfefferspray mit beiden Händen.
7
Chase fuhr den Charger auf das Parkdeck einer Versicherungsgesellschaft und stellte den Motor ab. Lombardi war seine Rettung gewesen. Allerdings hätte er es vorgezogen, ihr einfach den Schlüssel aus der Hand zu reißen und mit ihrem Wagen abzuhauen, statt sie in den Kofferraum zu sperren. Jetzt musste er sie wieder herauslassen. Der Gedanke, den Wagen einfach stehen zu lassen und abzuhauen, war verlockend. Für heute Nacht jedoch hatte er ihr bereits genug zugemutet. Plage hin oder her, sie hatte es nicht verdient, dass er sie so in Panik versetzte. Er würde den Kofferraum entriegeln und abhauen. Mit ein bisschen Glück bemerkte sie es erst, wenn er längst über alle Berge war.
Er stieß die Wagentür auf und stieg aus. Der Schwindel schlug wie eine Welle über ihm zusammen und zwang ihn, sich am Dach festzuhalten. Chase blinzelte einige Male und wartete, bis sich die schwarzen Flecken lichteten, die vor seinen Augen Tango tanzten, ehe er sich dem Kofferraum zuwandte. Mittlerweile hatten die Schmerzen die Oberhand gewonnen, jede Bewegung war schlimmer als die davor, trotzdem zwang er sich weiter. Für den Augenblick mochte er seine Verfolger abgehängt haben, allerdings machte er sich nicht die Hoffnung, dass es lange dauern würde, bis sie seine Spur wieder aufnahmen. Je eher er von hier fortkam, desto besser.
Er entriegelte den Kofferraum. Es klackte vernehmlich, viel zu laut, als dass Lombardi es überhören konnte. Er würde ihr sagen, dass sie keine Angst haben musste und dass sie einfach nach Hause fahren sollte. Chase seufzte und griff nach der Klappe, als diese von innen aufgestoßen wurde. Lombardi sprang ihm mit einem Schrei entgegen und zielte mit einem Spray auf ihn. Er bekam sie am Handgelenk zu fassen und drückte ihren Arm zur Seite. Der Sprühstoß ging an seinem Gesicht vorbei und verpuffte in der Luft. Ohne ihren Arm loszulassen, machte er einen Schritt zur Seite, weg von der wabernden Wolke, riss ihr die Dose aus der Hand und schleuderte sie in den Kofferraum. Da sah er das Handy. Er bückte sich danach. Die Nummer auf dem Display war ihm auch ohne einen Namen vertraut, er hatte sie vor gar nicht allzu langer Zeit selbst gewählt.
Er schaltete das Handy ab, warf es mit Schwung auf den Boden und zertrat das, was nach dem Aufprall noch davon übrig geblieben war. »Wie lange hängt Munarez schon in der Leitung?«
»Lange genug.« Lombardi wand sich unter seinem Griff und versuchte sich ihm zu entziehen, doch all ihre Gegenwehr konnte nicht über die Angst hinwegtäuschen, die ihre Stimme deutlich verriet. »Lassen Sie mich los, Ryan!«
»Damit Sie noch einmal auf mich losgehen?«
»Ich werde nichts tun, wenn Sie mir versprechen …« Ihre Stimme erstarb.
»Dass ich Sie nicht umbringe?«
Sie nickte.
»Das Letzte, was ich vorhabe, ist mein Gewissen ausgerechnet mit Ihnen zu belasten. Ich werde jetzt verschwinden und Sie vergessen am besten, dass Sie mich gesehen haben.«
Wieder nickte sie.
Sie konnte es ihm zusichern, ihm einen Eid leisten und beim Leben ihrer Mutter schwören, dass sie sich ruhig verhielt – Munarez würde das nicht tun und die war ihm mit Sicherheit bereits dicht auf den Fersen. Er gab Lombardis Arm frei, machte kehrt und ging davon.
»Sie haben meinen Wagen ruiniert!«, rief sie ihm hinterher.
Chase drehte sich noch einmal zu ihr herum. »Das ist Ihre einzige Sorge?«
»Haben Sie eine Ahnung, was mich die Reparatur kosten wird?«, fuhr sie ihn an. »Die Versicherung wird mir die Hölle heißmachen und jede Zahlung verweigern, und meine Bank freut sich sicher über den Kredit, den ich aufnehmen muss, um die
Weitere Kostenlose Bücher