Dämonisches Tattoo
Mitternacht und nicht erst kurz nach sieben. Von Zeit zu Zeit begegneten sie einem anderen Fahrzeug, und jedes Mal fragte sich Chase, ob sie gerade an dem vorbeigefahren waren, nach dem sie suchten. Er war ständig versucht, das Lenkrad herumzureißen, mit quietschenden Reifen zu wenden und sich demjenigen an die Fersen zu heften. Lediglich das Wissen, dass er unmöglich jedes Fahrzeug verfolgen konnte, an dem sie vorbeikamen, hielt ihn davon ab. Er wusste ja nicht einmal, ob der Killer überhaupt mit dem Wagen kommen würde. Allerdings blieb ihm kaum eine Alternative. Eine U-Bahn gab es hier nicht, die nächstgelegene Haltestelle war in Cheverly, ganz in der Nähe des Hauses, in dem Kate und er untergekommen waren.
»Halten Sie nach einem Fußgänger Ausschau«, sagte er.
Kates Augen funkelten im Mondschein, als sie ihn ansah. »Sie denken, er kommt zu Fuß?«
»Er wird mit dem Wagen kommen, aber er kann nicht vor dem Haus seines Opfers parken, also wird er ein ganzes Stück zu Fuß gehen müssen.«
Drei Stunden lang fuhren sie die Straßen ab, von denen die meisten als Allee angelegt waren, deren dichte Baumreihen es schwer machten, den dahinterliegenden Gehweg und die Häuser im Auge zu behalten. Von Zeit zu Zeit parkte Chase den SUV am Straßenrand und beobachtete die Umgebung, ehe er die Patrouille wiederaufnahm. Die einzigen Fußgänger, denen sie begegneten, waren Pärchen. Einmal hatten sie einen Mann gesehen, der mit schnellen Schritten den Gehweg entlanggehastet war, und sich ihm an die Fersen geheftet – bis zu dem Moment, als er ein Grundstück betreten hatte und an der Haustür mit einem Kuss empfangen worden war.
Zu wissen, dass der Mörder heute Nacht hierherkommen wollte, ohne auch nur das geringste Anzeichen zu finden, das sie hätte zu ihm führen können, war frustrierend.
»Vielleicht hat er Sie verarscht.«
Sie hatten den Wagen einmal mehr am Straßenrand abgestellt und starrten in die Nacht hinaus, als Kate aussprach, was er schon die ganze Zeit über dachte. Vielleicht hatte sich der Kerl nur einen Spaß mit ihm erlaubt und führte seine Tat entweder an einem anderen Ort aus oder hatte gar nicht vor, heute Nacht zuzuschlagen.
»Das wäre denkbar«, räumte er ein. »Aber
falls
er die Wahrheit gesagt hat … Wenn ich den ganzen Abend vor dem Fernseher sitzen würde in der Annahme, dass er nur Spielchen mit mir treibt, und morgen in den Nachrichten von einem Mord höre, könnte ich mir das nicht verzeihen.«
Kate nickte.
Eine Weile schwiegen sie und starrten in die Dunkelheit hinaus, die in regelmäßigen Abständen von den Lichtkegeln der Straßenlaternen unterbrochen wurde. Es war eine angenehme Stille, die ihm nicht das Gefühl gab, sie mit belanglosem Small Talk füllen zu müssen, ehe sie sich weiter ausbreiten und ihm die Luft abschnüren würde. Bisher war er nur selten einem Menschen begegnet, mit dem er auch schweigen konnte, ohne dass es nach kurzer Zeit unangenehm wurde. In Kates Gegenwart fühlte es sich vollkommen natürlich an. Er war ruhig und entspannt und seine Gedanken liefen nicht Amok auf der rastlosen Suche nach den nächsten leeren Worten, die die Stille füllen konnten.
Kate trank einen Schluck aus der Wasserflasche, die sie mitgenommen hatte, und bot sie ihm an. Als Chase den Kopf schüttelte, schraubte sie den Verschluss wieder darauf, stellte sie in den Flaschenhalter zurück und richtete ihren Blick wieder auf den Bürgersteig.
»Das Ganze ist schon ziemlich merkwürdig«, seufzte sie nach einer Weile.
»Was meinen Sie?«
»Uns natürlich. Vor ein paar Tagen wollten Sie nicht einmal mit mir sprechen und jetzt sitzen wir hier.«
»Nach einem kleinen Umweg über Ihren Kofferraum«, fügte er lächelnd hinzu.
»O Gott, erinnern Sie mich nicht daran«, stöhnte sie. »Mir tut jetzt noch alles weh.«
»Das tut mir wirklich leid.« Er hatte nicht gewollt, dass sie sich verletzte, nicht damals, als er sie noch für die lästige Reporterplage hielt, und erst recht nicht jetzt. »Warum haben Sie nichts gesagt? Wir hätten eine Salbe gegen Blutergüsse und Prellungen besorgen können. Ich hätte sogar mein Paracetamol mit Ihnen geteilt.«
»Paracetamol ist für die Bedürftigen«, schoss sie zurück. »Und was die Salbe angeht: Die habe ich – eine wirklich große Familientube für den Fall, dass Sie sich noch einmal hinters Steuer setzen wollen und mir den Beifahrersitz verweigern.«
»Ich hoffe trotzdem, dass Sie meine Entschuldigung akzeptieren.«
Sie
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