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Dahoam is ned dahoam - Bayerische Ein- und Durchblicke

Dahoam is ned dahoam - Bayerische Ein- und Durchblicke

Titel: Dahoam is ned dahoam - Bayerische Ein- und Durchblicke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut Schleich
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(»der wär ja gleich weggekommen«), IHN habe jeder hier in der Siedlung gekannt, und einmal sei IHM auf der Straße sogar ein Protestant begegnet, den ER freundlich gegrüßt habe – der Protestant sei seitdem SEIN größter Fan.
    Auch wir ertappen uns dabei, dass wir in diese leicht entpersonalisierte Sprechweise verfallen. Wenn die Hausmeisterin sagt: »ER war ja so ein bescheidener Mensch«, antworten wir beide fast gleichzeitig mit einem »… und ist ER immer noch.«
    Nur einmal droht die Gesprächssituation zu kippen, als nämlich die Rede auf SEINE verstorbene Schwester kommt. Die Hausmeisterin erzählt, dass diese Schwester am liebsten ebenfalls studiert hätte, so wie ihre Brüder, diese aber stattdessen täglich bekocht habe, obwohl sie nicht die geborene Hausfrau gewesen sei. »Es kann halt nicht jeder alles«, fügt sie als Fazit an, woraufhin unser Strickjackenfreund auf Helmut zeigt und sagt: »Doch, er scho!« Die daraufhin entstehende Pause ist für das zuvor so lebendige Gespräch deutlich zu lang und spricht Bände. Und sie gibt uns die Zeit, das Gebäude, vor dem wir stehen, genauer in Augenschein zu nehmen. Mit dem Apostolischen Palast in Rom kann dieses 08/15-Häusl nun weiß Gott nicht mithalten: glatte Wände ohne Fensterläden, eine Balkonbrüstung aus Betonplatten, eine fast fensterlose Nordwand, an der sich wilder Wein emporrankt. Hinein dürfen wir nicht, nur von außen lässt man uns neugierige Blicke durch das für die Entstehungszeit typische Panoramafenster in ein leeres Wohnzimmer werfen.
    Da kommt eine »Begegnungsstätte« hinein, erklären uns unsere Gesprächspartner in ihrem warmen Oberpfälzerisch. Das Haus ist an eine Stiftung verschenkt worden, in einem Monat geht’s los, ein entsprechendes Schild am Eingang ist schon angebracht worden.
    Direkt am Haus steht eine betonierte, autolose Garage. Ob in der wohl der sagenumwobene, vor ein paar Jahren für 189 000 Euro auf eBay versteigerte Papst-Golf gestanden hat?, fragen wir uns. Und wie viel würde man wohl für einen eingetrockneten Ölfleck dieses Prä-Papamobils bekommen, vorausgesetzt, es gelänge uns, unbemerkt eine der Betonplatten des Garagenbelags mitgehen zu lassen? Aber noch viel interessanter als diese Geschäftsidee ist das, was da ganz hinten in einer Ecke der Garage steht. Ist das vielleicht eine Tischtennisplatte?
    Thomas’ Herz fängt an, schneller zu schlagen. Er erinnert sich, dass ihm ein Bekannter einmal erzählt hat, wie er mit dem Herrn Ratzinger, als der noch Erzbischof von München und Freising war, einmal Tischtennis gespielt habe, und dass der Papst in spe sich damals einer ziemlich beherzten Spielweise befleißigt habe. Könnte es sein, dass ausgerechnet diese Tischtennisplatte hier gelandet ist?
    Nein, leider nicht. Unser Freund klärt uns auf: Die vermeintliche Tischtennisplatte ist nur ein zusammengeklappter Konferenztisch, der demnächst seinen Weg ins leer geräumte Wohnzimmer finden wird. Schade! Man hätte doch mit dem stets in der Hosentasche mitgeführten Schweizer Messer ein Stückerl grünen Resopalbelag ablösen können, genau an der Ecke, an der die perfid angeschnittenen Schmetterbälle von J.R. aufgesetzt sind, und … ewig schade, wirklich.
    Ziemlich bald nach dieser Enttäuschung klopft unser Freund mit der flachen Hand auf seinen unter der Strickjacke verborgenen Bauch, lächelt uns an und sagt: »Middogessn«. Wir verabschieden uns von ihm und der Nachbarin und gehen zurück zum Auto.
    Als wir ausparken, gleitet ein schwarzer Audi heran, ein tief gebräunter Mann in Trachtensakko und bunter Krawatte, Typ aufstrebender Kommunalpolitiker, steigt aus, gefolgt von einem älteren Herrn im schwarzen Anzug, dessen weißer Stehkragen ihn als Pfarrer ausweist. Die beiden werfen uns fragende Blicke zu, bevor sie uns ein wenig unsicher zunicken. Von irgendwoher scheinen sie Helmut zu kennen – vielleicht aus dem Ordinariat …
    * Dass der Papst ein paar Monate später tatsächlich in den selbst gewählten Ruhestand gehen und uns damit einer uns ans Herz gewachsenen Kabarettfigur berauben würde, konnten wir damals noch nicht ahnen.

Tiefer geht’s nicht – Windischeschenbach
    Windischeschenbach an einem Freitag im Mai: Brütende Hitze liegt, völlig untypisch für diese Jahreszeit, über der Stadt, in der sich trotz ihres Namens nicht einmal der leiseste Windhauch regt. Über dem Maibaum am Marktplatz schwere, dunkle Gewitterwolken, die man am liebsten anflehen würde: Jetzt macht doch

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