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Dahoam is ned dahoam - Bayerische Ein- und Durchblicke

Dahoam is ned dahoam - Bayerische Ein- und Durchblicke

Titel: Dahoam is ned dahoam - Bayerische Ein- und Durchblicke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut Schleich
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denn auch einen Papst bringen seine Eltern hervor. Erst im Nachhinein hat der Erfolg dann viele Väter – und Mütter.
    Wie auch immer, heute ist Marktl Papst. Papsthaus, Papstbier, Papstbrot, Papsttorte, Papstschokolade. Sogar ein Papstradiergummi wird dort feilgeboten, unter dem skurrilen Namen »Ratzefummel«.
    Angesichts solcher selbst gestrickter Merchandising-Kapriolen erwartet man natürlich auch in Pentling Ähnliches: Fahnen, Gedenksäulen, Souvenirläden, in päpstlichen Farben dekorierte Pilger-Reisebüros. Aber nichts dergleichen. Pentling scheint immun zu sein gegen das Papstfieber, den Benedetto-Wahn. Zumindest auf den ersten Blick. Ein ganz normaler, unspektakulärer Oberpfälzer Ort in seiner schätzenswerten Bescheidenheit.
    Als wir die dritte Runde drehen, von den Einheimischen sicherlich längst als »depperte Münchner« betituliert, die nicht einmal richtig Auto fahren können, wird Thomas im Internet doch noch fündig. Da steht’s ja. Papsthaus. Begegnungsstätte. Bergstraße, direkt neben dem »J.-Ratzinger-Gangl«.
    Die Adresse ist schnell ins Navi eingegeben, das uns mit ungerührter Stimme an den Stadtrand Pentlings lotst, in eines der gesichtslosen Neubaugebiete aus den 60er-Jahren, die man in Bayern oft lapidar »d’Siedlung« nennt. »Sie haben Ihr Ziel erreicht«, sagt das Navi. Vor einem unspektakulären, schmucklosen Einfamilienhaus parkt ein großer Möbelwagen, aus dem Handwerker weiße Büroschreibtische schleppen. Von zähnefletschenden Schäferhundbestien mit TV-Serien-Stammbaum ist weit und breit nichts zu sehen, also steigen wir aus.
    Ein älterer Mann sieht dem Liefervorgang interessiert vom Gehsteig aus zu. Als wir uns dem Haus nähern, sticht er sofort auf Helmut zu und sagt: »Eana kenn i doch! Sie san doch der vom Ordinariat!«, was Helmut freundlich, aber entschieden zurückweist. Während wir ein bisschen Small Talk machen, sehen wir, wie es im Kopf des Mannes unaufhörlich rattert. Wer ist das? Das Gesicht kenne ich doch … – Und dann fällt es ihm urplötzlich wie Schuppen von den Augen: »Sie san vom Fernsehen! Der Schleich!« Seine Erkenntnis erfüllt ihn mit solcher Genugtuung, dass er offenherzig über das Haus und seine Geschichte zu plaudern beginnt. Ein Nachbar sei er, erzählt er, nicht direkt aus dem Nebenhaus, aber trotzdem. Und einen späteren Papst zum Nachbarn hätten nun wirklich nicht viele gehabt. In Bayern konnte man dieses Privileg zum letzten Mal 1055 genießen, als der weiße Rauch für den Eichstätter Bischof Gebhard I. aufstieg, der sich fortan Papst Viktor II. nennen konnte. Über dessen damalige Nachbarn schweigen sich die zeitgenössischen Chroniken leider ebenso aus wie über sich in deren Besitz befindliche Schäfer- oder andere Hunde.

    Wir sind Papsthaus
    Von unserem neuen Freund erfahren wir, dass der frühere Kardinal und spätere Papst »ganz, ganz« einfach gelebt hat, und fragen uns, was wohl die Pressestelle des Heiligen Vaters dazu sagen würde, dass hier ein selbst ernannter Außendienstmitarbeiter in Gummistiefeln und Strickjacke einem landesweit bekannten Ratzinger-Parodisten detailgenau berichtet, wie dessen damals noch bischöfliche Möbel beschaffen waren: »Aus Spoonplottn holt, furniert wie so ein Jugendzimmer aus die 60er-Joahr«, und dass er natürlich drei »Schloofzimmer« hatte, »für sich, sein Brouder und sei Schweester«. Die Hausmeisterin, ebenfalls eine Nachbarin, wird herbeizitiert. Ist sie die Besitzerin der schutzhundgeprüften Kommissar-Rex-Bestie?, fragen wir uns bang, aber die stämmige, resolute Frau stellt sich als völlig unbehundet und nach kurzer Aufwärmphase sogar relativ auskunftsfreudig heraus. Nur der Hinweis unseres neuen Freundes auf den Herrn Schleich verfängt bei ihr nicht, entweder schaut sie kein Bayerisches Fernsehen oder ist gegen Satire völlig immun.
    Wie schlimm das mit diesen Andenkenjägern denn wirklich sei, fragen wir sie. Mei, wenn mal jemand komme und über den Zaun lange, weil er sich ein Blatt von einer Pflanze im Garten abreißen wolle, drücke sie schon ein Auge zu, erzählt sie, und dass der frühere Bewohner des Hauses nach wie vor in regelmäßigem Briefkontakt mit ihr stehe und am Schicksal seiner ehemaligen Behausung regen Anteil nehme.
    Während des ganzen Gesprächs fällt uns auf, dass die beiden immer nur von »ihm« reden, nicht vom Herrn Ratzinger, nicht vom Kardinal, nicht vom Papst. ER habe den Marienbrunnen, den man IHM geschenkt habe, nie aufstellen lassen

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