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Dahoam is ned dahoam - Bayerische Ein- und Durchblicke

Dahoam is ned dahoam - Bayerische Ein- und Durchblicke

Titel: Dahoam is ned dahoam - Bayerische Ein- und Durchblicke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut Schleich
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Selig- und Heiligsprechungsprozesse in Rom ihr Nihil obstat (»es steht nichts entgegen«) verkündet hat, befindet sich Konnersreuth im permanenten Resl-Fieber. Das sieht man schon auf den ersten Blick, wenn man sich nur die Wegweiser in der Achtzehnhundert-Seelen-Ortschaft anschaut: zum Resl-Geburtshaus, zum Resl-Garten, zum Theresienbrunnen … fehlt eigentlich nur noch die Theresienwiese, aber auf die hat offenbar München ein Copyright. Bei so viel Auswahl weiß man zunächst nicht, wo man zuerst hinsoll, aber nach kurzem Überlegen entscheiden wir uns für den Friedhof mit der Resl-Kapelle. Ist bestimmt ein guter Start, wenn man der Seligen in spe als Erstes persönlich seine Aufwartung macht.
    Als wir auf dem Friedhofsparkplatz aus dem Auto steigen, kommt uns ein Schwarzer entgegen, also kein Pfarrer, sondern ein Mensch mit schwarzer Hautfarbe, der, seiner orangefarbenen Kleidung und dem Besen in der Hand nach zu schließen, für die Sauberkeit des Parkplatzes zuständig ist. Wir witzeln uns noch politisch höchst unkorrekt zu: »Schau her, der Rußl von Konnersreuth«, da werden wir auch schon von der Realität in Gestalt von zwei dahertollenden Kindern überholt, die aus voller Kehle trällern: »Neger, Neger, Baseballschläger«, was der Herr mit dem Besen mit einem freundlichen Lachen quittiert. Als wir diese Begebenheit ein paar Tage später einem Offiziellen aus dem Ort erzählen, erfahren wir, dass die Kinder natürlich nicht aus Konnersreuth selber waren, nein, nein, es handelte sich um Teilnehmer an einer Berliner Ferienfreizeit, Gott sei Dank!
    Wir betreten den Friedhof, der ebenso sauber, fast keimfrei ist wie der Parkplatz. Exakt behauene Grabsteine, schwarz und schwer, irgendwie protzig trotz ihrer Einfachheit, und Gräber wie Vorgärten: exakt vermessen, von Granitmäuerchen rechtwinkelig eingefasst – steinerne Behältnisse für die Friedhofserde aus dem 50-Liter-Pack, so makellos schwarz, als wäre jeder Krümel per Hand von anhaftenden Schmutzpartikeln und – Gott bewahre! – Unkrautsamen befreit worden, auf dass kein Wildwuchs die wie mit dem Lineal gezogenen Karrees der gelben, blauen und weißen Stiefmütterchen stört.
    Auf den ersten Blick ist es einer von den ganz normalen, überpflegten bayerischen Friedhöfen, wie man sie vom Oberland bis Oberfranken finden kann und auf denen die soziale Kontrolle auch mit dem Tod nicht endet, nur manche Inschriften auf den Gräbern sind hier ein wenig anders. »Konvertiert am 4. August 1930 durch Resl« ist beispielsweise auf einer schlichten Steinplatte zu lesen – von welcher Religionsgemeinschaft ist leider nicht in Erfahrung zu bringen. Solche Epitaphe findet man nur in Konnersreuth, wo der gigantische Grabstein der Resl, der sie im Halbrelief mit einem fast muslimisch wirkenden Kopftuch zeigt, die Gräber gewöhnlicher Sterblicher um mindestens das Doppelte überragt.

    Erste Hilfe Konnersreuth
    Aber das ist noch gar nichts, betrachtet man erst die Votivkapelle für die Resl, gegen deren wildes Durcheinander an Votivtafeln ihr großes Vorbild, die Gnadenkapelle in Altötting, fast schon museal gepflegt wirkt. »Resl hat geholfen«, »Danke, liebe Resl«, »Vergelt’s Gott, Resl« ist in jeder nur erdenklichen Form zu finden – auf in Klarsichthüllen gesteckte DIN-A5-Blätter gekritzelt, auf Holzscheiben gebrannt, als goldene Lettern in polierten Marmor geschlagen oder gar als Autokennzeichen geprägt. Auf Niederländisch hat jemand »Bedankt voor de Genezing« geschrieben, und was die russischen Danksagungen in kyrillischer Schrift bedeuten, das können wir nur mutmaßen. Man kann sich nicht helfen, irgendwie ist man ergriffen angesichts solcher naiv-hilfloser Volksfrömmigkeit. Doch dann sticht uns zwischen den überall herumhängenden Rosenkränzen eine große, aus massiver Bronze gegossene Platte ins Auge und befördert uns sofort wieder zurück ins knallharte Alltagsgeschäft der Seligsprechung: »Gebetserhörungen – Bitte melden Sie diese beim Kath. Pfarramt Konnersreuth. Danke.«
    Klar, hier wird mit harten Bandagen gekämpft, hier zählt ein jedes Wunder, mag es auch noch so klein sein. Und billig ist so eine Seligsprechung auch nicht, angeblich soll sich die erste Rechnung aus dem Vatikan an den Unterstützerkreis auf 26 000 Euro belaufen haben – und das war nur der Anfang.
    Aber von nix kommt nix, und der freundliche Mann in der Trachtenjacke, der im 500 Meter von der Votivkapelle entfernten Geburtshaus der Resl »ein wengerl

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