Dahoam is ned dahoam - Bayerische Ein- und Durchblicke
der bullige Bohrturm am Ortsrand ein wenig überflüssig herumsteht.
Die Reise zum Mittelpunkt der Erde: Tiefbohrung bei Windischeschenbach
Die Reise zum Mittelpunkt der Erde – mit 9,1 Kilometern Tiefe wurde schon mal ein Anfang gemacht, ein Eintrag im Guinnessbuch der Rekorde, immerhin, aber man kann’s auch anders sehen: Von Windischeschenbach nach Australien fehlten nur noch 12 703,90 Kilometer, dann wären für Gastronomie und Zoiglbrauereien goldene Zeiten angebrochen. Man braucht nur an die bierseligen Aussies auf dem Münchner Oktoberfest zu denken. Bleibt eigentlich nur noch die Frage, warum man die Tiefbohrung dann nicht gleich in München gemacht hat, auf der Theresienwiese wäre ja wahrlich genug Platz für so einen Bohrturm, den man zur Festzeit wunderschön in einen überdimensionalen Masskrug verwandeln könnte.
Die Antwort ist einfach: Hier, in Windischeschenbach, ist die Erdanziehungskraft signifikant höher als überall sonst in Bayern, was nicht nur das Interesse der Geologen für diesen Ort erklärt, sondern wohl auch, weshalb die Menschen hier mit beiden Beinen so fest auf der Erde stehen. Und vielleicht auch, warum wir schon seit einer Stunde unterwegs nach Waldsassen sein wollen und einfach nicht aus den Stühlen in diesem Eiscafé hochkommen.
Unter Heiligen und solchen, die es werden wollen – Waldsassen und Konnersreuth
Von Windischeschenbach nach Waldsassen sind es gerade mal dreißig Kilometer, dennoch erleidet man bei der Ankunft fast einen Kulturschock. Nach all den zwischen 1970 und dem Mauerfall kräftig verhunzten Häusern, autogerecht gemachten Ortschaften und einer im Todesschlaf vor sich hin dämmernden Gastronomie wirkt der beschwingte Bau der Waldsassener Zisterzienserabtei mitsamt ihrem ganz offen zur Schau gestellten frommen Reichtum nahezu obszön. Im Vergleich mit der Welt der bröselnden Eternitdächer und Glasbausteine, aus der wir gerade kommen, erscheinen uns die goldstrotzenden Altäre und der zartrosa gestrichene Kreuzgang mit seinen weißen Stuckverzierungen wie Fremdkörper.
In den Gängen des Klosters empfängt uns eine Ausstellung, die unter anderem zeigt, wie Nonnen heutzutage leben, was für Arbeiten sie verrichten, wie sie ihr Leben gestalten. Lachende Gesichter sind zu sehen, angeblich die der diesjährigen Novizinnen, lauter ausnehmend hübsche junge Frauen. Ob das vielleicht ein Werbetrick ist, fragt man sich, doch dann erkennt man unter all den Gesichtern eines, das einem bestens bekannt ist: das eines fröhlich grinsenden Horst Seehofer, den man sonst ja eher nicht mit klösterlicher Ruhe und Beschaulichkeit in Verbindung bringt.
Aber jetzt fällt es uns wieder ein, vor ein paar Wochen erst hat sich der Horst zu österlichen Exerzitien zurückgezogen, hierher nach Waldsassen, es stand ja in allen Zeitungen, was für ein christlicher Mensch er doch sei. Allerdings wurde er am Abend des Gründonnerstags noch in München gesehen, und am Ostermontag war er schon in Rio de Janeiro, sodass ihm, weil so ein Flug nach Brasilien nun mal einen halben Tag dauert, maximal zwei Tage zur inneren Einkehr bei den netten Schwestern von Waldsassen blieben. Aber wer täglich seinen Standpunkt ändert, für den sind zwei Tage im selben Kloster schon so lang wie für andere ein ganzes Erdzeitalter.
Es gäbe noch viel zu sehen in Waldsassen, eine umwerfende Barockbibliothek, eine Basilika mit einer kleinen Armee von Heiligenskeletten, die in gläsernen Vitrinen unter den Altären ruhen, aber es zieht uns weiter zu einer, die auf ihre Heiligsprechung noch warten muss. Ehrlich gesagt, ihre Anhänger kämpfen sogar noch um die Vorstufe dazu, um die Seligsprechung. Die Rede ist von Therese Neumann aus dem nur sechs Kilometer entfernten Konnersreuth. Gestorben 1962, nachdem sie sich 36 Jahre lang ausschließlich von Hostien ernährt hat – eine pro Tag, wohlgemerkt – und jeden Freitag medienwirksam aus den Augen und diversen Wundmalen blutete. Die Resl, wie sie hier liebevoll genannt wird, ist ein Oberpfälzer Phänomen, dessen Befürworter und Gegner sich noch heute erbitterte Schlachten liefern. Schwindlerin, nennen sie die einen, Heilige die anderen, zu denen seit 2005, als er ihren Seligsprechungsprozess eröffnet hat, offenbar auch Gerhard Ludwig Müller gehört. Damals noch Bischof in Regensburg, ist er heute Präfekt der Kongregation für die Glaubenslehre im Vatikan – wenn das keine Steilvorlage für die Resl ist …
Spätestens seit die Kongregation für die
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