Dahoam is ned dahoam - Bayerische Ein- und Durchblicke
die Ungläubigen, während wir es uns gut gehen lassen dürfen!
Aber wenn tatsächlich ein Zusammenhang zwischen Kirchensteuer und Urlaub bestünde – Hand aufs Herz –, wie viele wären dann bereit, ihren Kirchensteuersatz um hundert Prozent zu heben, damit sie vier Wochen länger in Urlaub fahren können?
Nein, um Kirchensteuer-Ersparnis ist es mir nie gegangen. Nur spende ich dieses Geld mittlerweile lieber direkt. Ich finde, die Kirche hat einfach genug, und ich habe einfach genug von der Kirche. Und wenn man dereinst an der Himmelspforte nur gegen Kirchensteuerbescheid Einlass erhält, dann habe ich eben Pech gehabt.
Vielleicht ist es ja so wie in der schönen Geschichte, wo ein verblichener Sünder in die Hölle kommt und vom Teufel herumgeführt wird. Zu seinem Erstaunen gibt es Wellness-Oasen, beste Restaurants, herrliche Weinkeller, und alle sind nach ihrer Fasson glücklich. Während er zusehends Gefallen an der Unterwelt findet, fragt er misstrauisch den Teufel, ob er hier eventuell falsch sei, schließlich habe er sich als Sünder die Hölle anders vorgestellt. Da zeigt ihm der Teufel eine Ecke, in der sich einige Höllenbewohner selbst kasteien, am Glutofen sitzen und infernalische Qualen leiden. Auf die Frage des Sünders, wie das ins Bild passe, antwortet der Teufel: »Das sind die Katholiken, die mögen’s so.«
Als ich 1993 zusammen mit meinen Kollegen Christian Springer und Andreas Rüttenauer unter dem zugegebenermaßen provokanten Titel »Die geile Messe« ein Programm auf die Bühne brachte, das sich mit den Grenzen zwischen Glauben und Bigotterie beschäftigte, da brach das über uns herein, was man heute, im Internetzeitalter, als »shitstorm« bezeichnen würde. Manche schlossen uns in ihre Gebete ein, ohne dass wir uns gegen diese Gefangennahme wehren konnten, andere drohten uns mit dem Jüngsten Gericht. »Auch Spötter müssen sterben!«
Als dann eine Aufführung in Ebersberg 1994 genau in den Kommunalwahlkampf fiel, wurde das Programm in offensichtlicher Ermangelung handfester Themen zum Spielball der politischen Gegner und erhitzte wochenlang die Gemüter der Christenmenschen bis hin zur Bombendrohung. Ein heiliger (Klein-)Krieg im Osten Münchens.
Dass der Münchener Lokalradio-Sender »Radio Feierwerk« über die Veranstaltung berichtete, hätte ihn damals um ein Haar die Sendelizenz bei der Bayerischen Landeszentrale für neue Medien gekostet, nachdem ein gewisser Erwin Huber von der CSU interveniert hatte. Eines verband alle Kritiker, vom Katholen-Taliban bis zum CSU-Generalsekretär: Keiner hatte das Programm je gesehen, und doch wussten sie alle genau Bescheid.
Vielleicht ein Wunder …?
Als es uns wenig später dank eines mutigen Religionspädagogen ermöglicht wurde, das Programm in Auszügen im Benediktinerkloster St. Ottilien am Ammersee vor Patres zu spielen, sorgten wir für große Heiterkeit im Publikum und hinterher versicherte uns ein Klosterbruder: »Das war ein schönes Programm, aber ich habe in Rom studiert und könnt’ euch noch ganz andere Geschichten erzählen!«
Immerhin blieben die Ebersberger Katholiken auch weiterhin streitbar. Als 2009 auf Geheiß des Erzbischöflichen Ordinariats München ein Chirurg samt Knochensäge anreisen sollte, um die als Reliquie verehrte Schädeldecke des heiligen Sebastian in zwei Teile zu sägen und eine Hälfte davon in einen schwäbischen Wallfahrtsort zu verbringen, drehten die Ebersberger Betbrüder und -schwestern so lange am Rad, bis man sich im Allgäu mit einer Berührungsreliquie beschied und dem heiligen Sebastian ein zweites Martyrium erspart blieb.
Wie viel Naivität allerdings vonnöten ist, um ein Seidentuch als heilig zu verehren, das kurz mit einem 1000 Jahre alten Knochen in Berührung kam, von dem in den 1920er-Jahren schon ein Stück abgeflext wurde, um damit den Altar einer Münchner Kirche zu segnen, das wird wohl ein bayerisch-katholisches Mysterium bleiben.
Andererseits ist es ja genau das Geheimnis, das den Glauben ausmacht. Mein Kollege Georg Ringsgwandl hat das einmal mit einer kleinen Geschichte punktgenau zum Ausdruck gebracht: Als Kind war er im Hochamt immer fasziniert von der Orgelmusik, dem Weihrauch, den Gewändern und dem barocken Schmuck in den katholischen Gotteshäusern. Das war auf sonderbare Weise geheimnisvoll, und, auch wenn er es sich nicht vorstellen konnte, – irgendetwas Größeres musste es geben, da oben im Himmel oder wo auch immer. Wie er dann zum ersten Mal in einem
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