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Dahoam is ned dahoam - Bayerische Ein- und Durchblicke

Dahoam is ned dahoam - Bayerische Ein- und Durchblicke

Titel: Dahoam is ned dahoam - Bayerische Ein- und Durchblicke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut Schleich
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Devotionalienwühltisch?
    Schließlich, nach all dem Getandel, bleibt uns nur noch eines hier im Gnadenort: Die Kapelle in seinem Zentrum, die innerste Herzkammer im religiösen Herzen Bayerns. Zuvor aber noch ein rascher Blick in die Schaufenster der Devotionalienhandlungen, in denen neben Weihwasserkesseln, Rosenkränzen und Kruzifixen mit Zertifikat (für was eigentlich?) unzählige Nachbildungen der Muttergottes auf ihre Käufer warten. Auf allen möglichen und unmöglichen Gegenständen ist sie zu sehen, auf Bechern, Holzbrettchen, Fingerhüten und Kugelschreibern oder auf hässlich unförmigen Plastikflaschen, in denen man sich wahrscheinlich irgendein heiliges Wasser mit nach Hause nehmen soll. Heute im Angebot sind schwarze Wetterkerzen mit dem Marienbild im Doppelpack.
    Überhaupt die Kerzen … in allen Ausformungen und Größen werden sie angeboten, von christbaumkerzenklein bis hüfthoch, geschmückt mit den Bildnissen von Madonnen aus aller Herren Länder, der letzten beiden Päpste, des heiligen Bruders Konrad und unzähliger anderer Heiliger und Heiligenanwärter. Den Vogel freilich schießen die 50 Cent teuren offiziellen Opferlichtlein für die Schwarze Madonna selbst ab – aufzustellen in einem extra für diesen Zweck errichteten Glashäusel mitten auf dem Kapellenplatz. Entworfen vermutlich von einem Designer für industrielle Mogelpackungen (Müllermilch lässt grüßen), täuschen die Näpfchen aus rotem Plastik die Größe eines normalen Teelichts lediglich vor. In Wirklichkeit beinhalten sie einen Hohlraum mit 22 Millimetern Luft, über dem sich in einer flachen Kachel gerade mal drei Millimeter Wachs befinden.
    Das von uns käuflich erworbene Kerzlein wird allerdings nicht für die Schwarze Marie brennen, das wandert als Musterbeispiel gewinnoptimierten Devotionalienmarketings in die Manteltasche, während wir uns langsam der Gnadenkapelle nähern. Der offene Umgang rings um das eher bescheidene Gebäude ist bis zum letzten Quadratzentimeter mit Votivtafeln, wächsernen Gliedmaßen und überflüssig gewordenen Krücken und Prothesen zugehängt. Eine bedrückende Werkschau frömmelnd-naiver Kunst, über einem Steinpflaster, das von den rutschenden Knien der mit mächtigen Holzkreuzen beladenen Pilger schon ganz glatt poliert ist. Heute schlurft nur ein mittelaltes Paar mit leeren Gesichtern seine Runden. Der Mann hat ein nicht allzu schwer wirkendes Kreuz mit der eingebrannten Aufforderung »Betet für die Biker« geschultert. Auch wenn die beiden nicht gerade wie Hells Angels aussehen, lassen wir sie lieber vorbeiziehen, bevor wir die Kapelle betreten. Man kann ja nie wissen …

    Kreuze »to go« an der Gnadenkapelle
    »In da Kapöin bittschee need fotografirn«, sagt ein Mann, der aus einer Art Sakristei kommt, als er Thomas’ Fotoapparat sieht. Über seine Schulter erhaschen wir einen Blick in einen mit kargen Holztischen möblierten Raum, an dessen Wänden neben einem großen Kruzifix mehrere Monitore hängen, die das Innere der Kapelle zeigen und deren Kameras ganz offenbar den Segen der Muttergottes zu haben scheinen.
    Aber mal ganz ehrlich: Will man hier überhaupt fotografieren? Will man sich vor die betenden Menschen hinstellen und ein Bild von der Madonna knipsen, das man in hundertfacher Ausfertigung auf Postkarten erstehen oder im Internet herunterladen kann? Oder will man die Schilder aufnehmen, auf denen »Danke für die Opferspende«, »Danke für die Mariengabe«, »Bestellungen für Messen werden hier angenommen« steht? Das vielleicht schon eher.
    Drinnen in der Kapelle hat sich ein Mann in einer dick wattierten Outdoorjacke direkt vor den Gnadenaltar hindrapiert. In einer theatralischen und sichtlich unbequemen Geste verharrend, starrt er hinauf zu dem Bildnis, um das hier alles herumgebaut wurde – das Hotel Post und der von Frau Katzenberger beworbene gelbe Möbelmarkt inklusive.
    Ringsum schwarz lackierte Wände, bepflastert mit Votivgaben: Herzen, Hände, Füße, Augen, Fatschenkinder und Ex-Voto-Sprüche, sie alle scheinen den aufgemaschelten Goldaltar mit seinen gedimmten Elektrokerzen zu umschwirren wie ein silbern flirrender Mückenschwarm. Und irgendwo mittendrin in diesem erdrückenden Wust aus Edelmetall steht, bemerkenswert klein und unter ihrer viel zu großen Krone irgendwie verloren wirkend, die Hauptfigur des Ganzen, die Schwarze Marie, die Liebe Frau von Altötting, millionenfach angebetet, angefleht, angeweint.
    Wie die Zwillingsschwester des kleinen

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