Daisy Goodwin
Karaffe und
dem Siphon auf einem Tablett wiederkam, goss Ivo sich einen starken Drink ein
und begann im Zimmer auf und ab zu gehen. Er schien mehr mit sich selbst als
mit Cora zu sprechen.
«Guy war das Einzige, woran ich
jemals geglaubt habe. Er war ein guter Mann, fast ein Heiliger. Wäre er nicht
der Erstgeborene gewesen, wäre er vielleicht
Mönch geworden. Er hat immer nur das Richtige getan, und trotzdem war er tot
und ich war Herzog. Es ergab überhaupt keinen Sinn.»
Cora sagte nichts, sie hatte Ivo
noch nie so erlebt. Er ging ruhelos durch den Raum, ohne sie anzusehen, und
sprach nachdrücklich und ruhig.
«Ich wollte nie Herzog werden,
niemals. Und ich war froh, dass ich nicht erben würde. Ich habe gesehen, was
mit meinem Vater passiert ist – er ist fast zugrunde gegangen, weil er
versucht hat, sich so zu benehmen, wie ein Herzog sich seiner Meinung nach
benehmen sollte. Und das alles für das zweifelhafte Vergnügen, sich vom
Prinzen von Wales – unter anderem – Hörner aufsetzen zu lassen.» Er leerte sein
Glas und ging wieder zu der Karaffe.
Cora konnte kaum glauben, was er
gerade gesagt hatte. «Du meinst, deine Mutter und der Prinz sind ... mehr als Freunde?» Sie versuchte nicht zu
schockiert zu klingen, aber sie konnte sich nicht helfen. Herzogin Fanny und
der Prinz, warum hatte sie das nicht bemerkt?
«Oh, ich glaube nicht, dass sie es
heute noch sind, aber als mein Vater noch lebte ...» Ivo unterbrach sich, als
hätte er Schmerzen.
Cora war
fassungslos. «Wusste dein Vater das?»
«Natürlich
wusste er es», sagte Ivo bitter. «Jeder wusste es. Dafür hat meine Mutter
gesorgt. Sie hat sich sogar diese Schlange auf ihr Handgelenk tätowieren
lassen, um zu zeigen, dass sie zum Club gehört, wie sie es nannte.»
Cora
versuchte zu verstehen. «Aber konnte dein Vater sie nicht davon abhalten? Er
hätte mit Scheidung drohen können.»
Ivo schüttelte den Kopf. «Katholiken
lassen sich nicht scheiden, und außerdem kann man den Prinzen von Wales nicht
benennen. Nein, meine Mutter wusste genau, was sie tat. Mein armer Vater, er
konnte nur danebenstehen und es geschehen lassen. Das Schlimmste war, dass er
sie wirklich geliebt hat. Es gab viele Frauen, die ihn nur zu gern getröstet
hätten, aber er hatte kein Interesse. Und meine Mutter hat sich die ganze Zeit
benommen, als würde sie ihm einen Gefallen tun, wenn sie mit dem Prinzen
befreundet ist. Ich hab zuerst nicht verstanden, was vor sich ging, aber heute
kann ich kaum glauben, wie hartherzig sie war. Sie hat die Liebesbriefe des
Prinzen vor seinen Augen geöffnet, und er musste danebensitzen und zusehen.»
Ivo senkte den Kopf in unbewusster Nachahmung seines duldenden Vaters. «Am
Ende fing der Prinz natürlich an sich zu langweilen, was sie ganz elegant
hingenommen hat – ich glaube nicht, dass sie sich sehr viel aus ihm machte –,
und dann hat sie ihn eben durch Buckingham ersetzt. Als meinem Vater klarwurde,
was pas siert war, gab er einfach auf. Ein Jahr später ist er gestorben.» Er
schüttelte den Kopf, als wollte er die Erinnerungen verscheuchen.
Cora hatte
Mitleid mit ihm. Als Ivo ihr das Gesicht zuwandte, sah sie darin eine
Verletzlichkeit, die sie noch nie zuvor an ihm gesehen hatte.
«Und das Schlimmste war, dass Mutter
nie verstanden hat, was sie getan hat. Sie war sogar noch stolz auf sich. Sie
war der Grund dafür, dass Guy so gläubig war. Ich glaube, er hat versucht, für
ihre Sünden zu büßen. Und davon gibt es weiß Gott genug. Es war nicht nur der
Prinz, obwohl er der Bekannteste war. Sie hatte immer Bewunderer – ich glaube,
sie hat sich sogar mit den Bediensteten vergnügt.» Er klang bitter.
Cora legte ihm die Hand auf den Arm.
«Aber gefällt es dir jetzt nicht, Herzog zu sein?», sagte sie.
«Das hat
nichts mit gefallen zu tun. Ich bin ein Glied in der Kette, die sich von der
Vergangenheit über mich bis in die Zukunft erstreckt. Auch wenn ich es nie
wollte, ich habe keine Wahl.» Er sah sie an, und seine Gesichtszüge entspannten
sich. «Aber dank dir muss ich nicht zusehen, wie Lulworth verfällt oder Stück
für Stück weggegeben werden muss. Unser Sohn wird nicht mit ansehen müssen,
wie Land verkauft wird und Häuser zerbröckeln, weil kein Geld da ist, um sie zu
erhalten.» Er legte seinen Arm um sie und zog sie an sich.
Cora war erleichtert, dass Ivos
Stimmung sich aufzuhellen schien. Dass er ihr Kind und die heilende Kraft des
Geldes erwähnte, machte ihr Mut. Ihr gefiel der Gedanke, dass
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