Daisy Goodwin
und des Geldes, das sie von ihrem Lohn zur
Seite gelegt hatte. Sie hatte das Geld eigentlich ihrer Mutter schicken wollen,
aber jetzt fragte sie sich, ob sie selbst es nicht nötiger brauchen würde. Wenn
sie sich nur sicher sein könnte, dass Jim ihr in ein neues Leben folgen würde.
KAPITEL 19
Ein leichtes Errötern
Louvains Studio lag in Chelsea, einem Teil
Londons, von dem Cora bisher nur gehört hatte. Der Kutscher hatte erstaunt
gewirkt, als sie ihm die Adresse sagte, und seine Kameraden befragen müssen,
ehe er losfuhr. Der Nebel wurde immer dichter, als die Kutsche sich dem Fluss
näherte, weshalb Cora im gelben Herbstdunst kaum die Umrisse des Hauses
erkennen konnte. Das Einzige, was sie deutlich sah, war eine rot gestrichene
Tür in einem gotischen Steinbogen. Der Kutscher wollte gehen und die Glocke
läuten, aber Cora hielt ihn davon ab.
«Ich gehe selbst. Kommen Sie in
einer Stunde wieder.»
Sie läutete und hörte es weit
entfernt klingeln. Nach wenigen Minuten wurde die Tür von einem Diener geöffnet,
der Coras Vermutung nach Japaner war. Er verneigte sich und bedeutete ihr, ihm
einen langen Korridor entlang zu folgen, der von einem Dachfenster erhellt
wurde. Von den Tapetenleisten hingen zu beiden Seiten schwarzweiße Drucke, die
orientalisch anmuteten; Cora blieb stehen, um sich einen anzusehen und stellte
fest, dass es eine sehr feine, kleinteilige Zeichnung von einem Mann und einer
Frau war, die sich umarmten. Cora erschauerte vor Schock und Neugier. Sie hätte
das Bild gern noch viel genauer betrachtet, aber sie wollte nicht riskieren,
dass der Diener sich umdrehte und sie dabei sah. Sie spürte, wie das Blut
hinter ihren Schläfen pochte, fast hätte sie sich umgedreht und wäre gegangen, aber sie sah, wie der Diener den
schweren Damastvorhang beiseitehielt, und ging wie von selbst darauf zu.
Charlotte hatte gesagt, eine Anstandsdame wäre ganz unnötig, aber jetzt
wünschte Cora, sie hätte Bertha mitgebracht.
Das Studio
war ein Raum von doppelter Höhe mit einem nach Norden gehenden Fenster, das
von der Decke bis fast zum Boden reichte. Die Fensterbank war mit einem
Paisleytuch und Kissen aus Samt bedeckt. Rechts des Fensters standen Louvains
Staffelei und ein Tisch, der voller Pinsel, Tücher und Farben lag. Am anderen
Ende des Raumes befanden sich ein japanischer Paravent, eine Chaiselongue und
in einem Messingtopf ein Farn. Auf dem Parkett lagen mehrere Perserteppiche.
Die Wände entlang stapelten sich Leinwände und Zeichenmappen, Oberlichter
tauchten den Raum in gleißendes, gräuliches Licht. Cora hatte das Gefühl, sich
unter Wasser zu bewegen. Der Eindruck verstärkte sich noch, als sie Louvains
Stimme durch den Raum hallen hörte. Er trug eine samtene Hausjacke, die voller
Farbflecken war.
«Guten
Morgen, Herzogin, Sie sind spät, aber nicht unstatthaft spät. Bitte geben Sie
Itaro Ihre Sachen. Gut, Sie sind schlicht gekleidet.» Louvain stand etwa vier
Fuß entfernt und sah sie mit halb zusammengekniffenen Augen an. Cora spürte,
wie sein Blick über ihren Körper wanderte.
«Es tut mir
leid, dass ich so unpünktlich bin, aber der Nebel, wissen Sie, er verlangsamt
alles. Wir hätten fast aufgegeben und wären wieder nach Hause gefahren. Mein
Kutscher war sehr in Sorge, mich nach Chelsea zu bringen, er hält es für keine
ehrbare Gegend.» Cora war aufgeregt, ihr war bewusst, dass Louvains Augen
ununterbrochen auf ihr ruhten.
«Keine
Sorge, Sie sind in Sicherheit. Hier wird niemand Sie belästigen, höchstens ein
paar verarmte Künstler auf der Suche nach einer Mäzenin.» Er nahm ihren Arm. «Warum
setzen Sie sich nicht hierher.» Er führte sie zu der mit grünem Samt bezogenen
Chaiselongue. Sie setzte sich auf den Rand, den Rücken so aufrecht, als säße
sie am Wirbelsäulenstraffer.
Louvain trat einen Schritt zurück.
«Nein, nein, Sie sehen aus, als säßen Sie mit Missionaren beim Tee. Können Sie
sich nicht ein bisschen zurücklehnen? Augenblick, ich gebe Ihnen ein paar
Kissen.» Er ging zur Fensterbank und holte ein paar Kissen, die er ihr in den
Rücken legte. «Jetzt lehnen Sie sich zurück. Genau so.» Er ging vor ihr auf und
ab und inspizierte sie so gründlich, dass Cora ganz heiß wurde. Sie lehnte
recht steif an den Kissen und versuchte, ihre Arme elegant zu platzieren.
«Möchten Sie, dass ich die Hände
falte? Ich habe gehört, dass Hände am schwersten zu malen sind.»
»Wer hat Ihnen denn das erzählt?»,
fragte Louvain.
«Ein amerikanischer Freund,
Weitere Kostenlose Bücher