Daisy Sisters
das?«
»Nichts. Aber trotzdem.«
Und dann sprachen sie über alles, was mit der Wohnung gemacht werden müsste. Tapeten, all die alten Korkplatten herausreißen, Porzellan, eine Wiege …
»Noch nicht«, sagt Eivor. »Jetzt noch nicht.«
»Das entscheidest du«, sagt Jacob.
Sie sieht ihn an. Wirklich?
Den Einkauf und die Wahl der Wiege überlässt er also ihr. Aber ist das eine Selbstverständlichkeit oder ein Zugeständnis? Irgendwann einmal wird sie ihn fragen …
»Ich versteh doch nichts von solchen Sachen«, sagt er.
»Ich auch nicht«, antwortet sie.
Vor ihrem Haus sieht sie einen toten Haussperling, der im Rinnstein liegt. Er liegt auf dem Rücken, die Krallen krampfartig gegen den Himmel gestreckt.
»Was ist das?«, fragt er.
»Ein toter Vogel«, antwortet sie.
Drei Tage später steht Elna in der Tür. Eivor ist gerade von der Fabrik gekommen und spürt noch Liisas Gratulationskuss auf der Wange. Erst heute hat sie den Mut gefasst und gesagt, wie es ist. Dass sie ein Kind erwartet. Liisa hat sie erst misstrauisch angesehen. Aber dann hat sie sie umarmt und versucht, ihr ein finnisches Wiegenlied beizubringen.
Und jetzt steht also Elna da in der Tür, in ihrem alten Mantel. »Du hast ja kein Telefon«, sagt sie.
»Wer sagt, dass du ungelegen kommst?«
»Man weiß ja nie.«
»An dem Tag, an dem du störst, werde ich es dir sagen.«
»Ich soll von Erik grüßen«, sagt Elna.
»Danke.«
»Das kam ja nun recht unerwartet.«
»Für mich nicht. Oder für uns.«
Wahr oder nicht, Eivor hat sich entschlossen, ihrer Mutter von vornherein den Wind aus den Segeln zu nehmen. Tief drinnen hat sie auch erwartet, dass sie hier auftaucht, atemlos und entsetzt, als ob sie den ganzen Weg von Hallsberg gelaufen wäre. Sie hat sich vorbereitet, wie wenn sie sich vor Gericht verteidigen müsste.
»Ich weiß nicht, was ich sagen soll.«
»Du brauchst nichts zu sagen.«
»Bist du glücklich? Ich meine, ist alles, wie es sein soll …«
Schwebende Worte, flüchtig wie eine Feder. Warum nicht? Ihr geht es gut, ihm geht es gut, es ist kein Krieg, sie haben Arbeit, die Welt wird so schnell nicht untergehen.
»Mir geht es gut«, sagt sie.
Aber natürlich klingt das hohl. Sie ist gerade mal fünf Monate von zu Hause weg, sie hat soeben die Zusage bekommen, bei Algots zu arbeiten, und da wird sie schwanger.
Sie hat Elna noch nichts von Jacob erzählt. Natürlich ist in Elnas Verhalten ein wenig Schauspielerei, Eivor hätte mit Sicherheit dasselbe gemacht. Aber wie es jetzt ist, muss sie tatsächlich ratlos sein. Eivor wäre es mit Sicherheit auch gewesen.
»Das kam so unerwartet«, sagt Elna wieder.
»Ich fand, es sollte eine Überraschung sein«, antwortet Eivor.
Aber sie kann sehen, dass Elna ihr nicht glaubt.
Beim Kaffee sagt Eivor, dass Elna Jacob erst am folgenden Abend treffen kann. Heute kommt er nicht, er spielt Betriebsfußball auf dem Platz hinter dem Krankenhaus. Das Sportgeschäft hat eine eigene Mannschaft in der Liga, Jacob ist Verteidiger.
»Ich möchte ihn natürlich gern kennenlernen«, sagt Elna. »Aber nur, wenn es passt.«
»Klar tut es das. Sein Papa ist Schriftsetzer. Seine Mama ist wie du.«
»Was heißt wie ich?«
»Hausfrau. Sie heißt Linnea.«
Elnas Augen sind voller unausgesprochener Fragen.
»Jetzt wirst du Oma«, sagt Eivor entschieden.
»Ja«, sagt Elna.
»Mir geht’s gut, Mama. Beunruhige dich nicht. Du weißt, dass ich zurechtkomme.«
»Ich fange fast an, es zu glauben.«
Das tut sie natürlich absolut nicht, das erkennt Eivor sofort. In Elnas Pläne passt es kaum, dass Eivor ein paar Monate nach ihrer Abreise in die große Welt bereits schwanger wird. Aber wenn man eine Tochter hat, so muss man auch damit rechnen, Großmutter zu werden. Und da sie wohl eingesehen hat, dass die Wirklichkeit ihre eigenen Wege geht, schafft sie es vielleicht sogar, sich über das zu freuen, was geschieht.
Am Abend, als sie gegessen haben, machen sie einen Spaziergang durch die Stadt. Der tote Sperling liegt noch immer im Rinnstein, die Klauen gegen den Abendhimmel gereckt.
Sie bleiben vor dem Schaufenster eines Geschäfts für Damenoberbekleidung stehen. »Ich sollte mir vielleicht einen neuen Mantel kaufen«, sagt Elna.
»Ja«, sagt Eivor. »Das wäre wohl nötig.«
Im Gegensatz zu Liisa kann Jacob höflich sein, auch wenn es einen Hauch verkrampft und unsicher wirkt. Er begreift rasch, dass es wohl Eivors Mama ist, die ihm die Tür öffnet, und so dauert es nicht lange, bis
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