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Daisy Sisters

Titel: Daisy Sisters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
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Ort, und im Schatten hinter der Kirche steht der Volkswagen mit ausgeschalteten Scheinwerfern. Lasse Nyman öffnet ihr die Tür, und mit einem Blitzstart sind sie auf dem Weg. Die dunkle Landstraße stürzt ihnen aus der Nacht entgegen, schimmert im Scheinwerferlicht. Der Regen glitzert, wo die Straße asphaltiert ist, der Schotter spritzt, wo der Belag fehlt. Die Reifensirren und kreischen in den Kurven. Lasse Nyman sitzt zusammengekauert über dem Lenkrad und starrt hinaus in den Regen. Er fährt schnell, sehr schnell, Ausbrecher haben es immer eilig. Keiner sagt etwas, nur hin und wieder bittet er sie, ihm eine Zigarette anzuzünden und zwischen die Lippen zu stecken.
    Und warum nimmt sie sich nicht auch eine? Rauch, zum Teufel, rauch …
    Plötzlich bremst er, biegt auf einen Holzabfuhrweg ein und schaltet die Scheinwerfer aus. Sie sitzen in vollständiger Dunkelheit, sie spürt den Geruch seiner Haarcreme.
    »Ich bin kein verdammter Autoverkäufer«, sagt er plötzlich heftig, als ob ihn jemand aus der Dunkelheit angegriffen hätte. »Du bist mit einem Ausbrecher unterwegs. Nur dass du es weißt. Wenn du willst, lass ich dich vor Töreboda raus. Wir sind bald da. Dann kannst du per Anhalter nach Hause. Ansonsten bist du bei allem dabei, was geschieht. Entscheide dich jetzt.«
    »Ich will mit.«
    Mit einem Zischen dreht er den Zündschlüssel, und schon sind sie wieder unterwegs. Jetzt hat er ein Ziel, jetzt wird er ihr zeigen, wie man sich benimmt, um in der Welt zurechtzukommen. Und sie soll nur mal sehen, was er alles draufhat.
    In Skövde wird das Benzin knapp, die Anzeige ist unter dem Strich. Aber da ist es auch höchste Zeit, das Auto zu wechseln, es kann dem Opfer aus dem Bauernhaus zurückerstattet werden. Jetzt ist auch der richtige Zeitpunkt, um in der Nacht zuzuschlagen. Sich ein Auto zu schnappen ist zwar etwas, was sich am leichtesten am Tage machen lässt, unbeschwert mitten im Sonnenschein. In der Nacht sind alle Bewegungen verdächtig. Aber jetzt muss es so gehen, er kann sich nicht länger dazu herablassen, mit ihr in einem Volkswagen herumzufahren … Sie steigen aus und machen sich aufden Weg ins Zentrum. Kommt ein Auto, zieht er Eivor schnell zur Seite. Er ist wachsam, und sie folgt ihm dicht auf den Fersen.
    Bevor er die Autotür des Volkswagens zugeschlagen und den Schlüssel in die eine Außentasche seiner Lederjacke gesteckt hat (er sammelt Autoschlüssel, das sind seine Skalpe), hat sie gesehen, dass er etwas in seiner Lederjacke versteckt. Aber was? Sie fragt nicht, sie folgt ihm nur atemlos.
    In einer dunklen Straße mit Wohnhäusern, die mit geschlossenen Fassaden aufragen, steht ein Ford Zephyr. So einen hat er schon mal kurzgeschlossen, es ist kein Erste-Klasse-Auto, aber doch ein ordentlicher Schritt aufwärts. Der Ford ist grün mit weißem Dach und steht genau zwischen zwei Straßenlaternen, dort, wo es am dunkelsten ist.
    »Du bleibst hier stehen«, sagt er und schubst sie dicht an eine Hauswand. Von dort sieht sie ihn geduckt schräg über die Straße laufen, sich vor der Fahrertür auf die Knie niederlassen. Sie hört einen schwachen Laut von Metall, als er die Tür mit einem Dietrich öffnet. Schon ist er verschwunden, und plötzlich hört sie, wie das Auto widerwillig anspringt. Langsam rollt das Auto die Straße hinunter, während er durch die heruntergekurbelte Scheibe winkt. Und sie macht es genau wie er, geht schräg über die Straße und macht sich so klein wie möglich, springt neben ihn auf den Vordersitz, und dann sind sie wieder unterwegs. Ein Taxi fährt an ihnen vorbei, aber der Fahrer scheint nicht zu merken, dass etwas nicht in Ordnung ist.
    Lasse Nyman fährt aus der Stadt, so schnell er kann, ohne die Geschwindigkeitsbegrenzung zu überschreiten. Aber als sie sich der Landstraße nähern, tritt er das Gaspedal durch. »Der verdammte Tank ist voll«, sagt er und lacht schrill. »Das reicht lange. Sieh nach, ob du etwas im Auto findest.«
    »Was denn?«
    »Was weiß ich. Sieh nach, das ist dein Job!«
    Sie sucht im Handschuhfach und auf dem Rücksitz, aber alles, was sie entdeckt, sind eine Wolldecke und ein grauer Hut.
    »Setz ihn auf«, sagt er. Und sie tut, was er sagt. Er ist groß und rutscht bis auf die Ohren.
    Er lacht, und das Auto schlingert auf dem Weg. »Der passt ja verdammt gut. Verdammt gut …«
    Und dann wieder Stille.
    Eivor sieht verschiedene Ortsschilder. Axvall, Skara, Götene. Von Skara hat sie natürlich schon gehört, aber die übrigen

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