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Daisy Sisters

Titel: Daisy Sisters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
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Eivor.
    Er wirft ihr einen schnellen Blick zu.
    Er grinst.
    Da ist sie still.
    Aber als sie zurückkommen, ist der Hof verlassen. Lasse Nyman, der in die Küche gerannt ist, findet sie leer vor. Auf dem Boden liegt nur der Tote mit einer Decke über sich. Er kommt also zu spät. Aber wo ist der Alte? Hat er sich versteckt? Er reißt die Tür zur Kammer auf, tritt eine Schranktür auf, sucht in einer nach Marmelade duftenden Speisekammer, aber das Haus ist leer. Und genauso der Viehstall, ein paar Kühe drehen träge den Kopf, als er mit dem Revolver in der Hand hereingerast kommt.
    Draußen auf dem Hofplatz versucht er den Alten zu entdecken, versucht zu verstehen, wohin er gegangen sein könnte. Aber das ist zwecklos, der Wald steht drohend da, das Feld ist leer.
    Sieht er in dem Moment ein, dass alles zu spät ist? Nein,der Gedanke regt sich nur kurz in seinem Kopf wie eine verschreckte Ratte, aber dann ist er wieder bereit. Nichts kann ihn aufhalten.
    Er kehrt ins Haus zurück, reißt die Schubladen eines Schreibtischs auf und hat zum ersten Mal seit sehr langer Zeit etwas, was man Glück nennen könnte. Unter Skisocken entdeckt er eine kleine Blechdose, die zweihundert Kronen in Scheinen enthält. Er stopft sich das Geld in die Tasche, wirft die Blechdose auf den Boden, reißt ein Stück Käse und einen halben Laib Brot vom Küchentisch, bevor er das Haus verlässt.
    Er wird immer hungrig, wenn er Angst hat. Dann kann er essen wie verrückt, was auch immer, stundenlang.
    Als er aus dem Haus kommt, hört er, dass sich ein Auto nähert. Aber ohne Sirenen, ohne Eile.
    Eivor ist im Auto geblieben und hat sich die Ohren zugehalten. Aber es ertönt kein Schuss, und als sie hört, wie sich seine Schritte nähern, beginnt sie zu hoffen, dass er seine Meinung geändert hat und nicht mehr schießen wird.
    Sie bekommt eine Antwort, als er sich hinters Steuer setzt, mit dem Mund voller Käse:
    »Er ist abgehauen«, murmelt er. »Und da ist ein Auto auf der Straße.«
    Die Straße endet auf dem Hof, sie haben keine andere Möglichkeit zu entkommen, als auf demselben Weg zurückzufahren. In einer Biegung treffen sie auf ein Auto mit einem Mann hinter dem Steuer. Im Moment der Begegnung bückt sich Lasse Nyman über das Lenkrad, und ohne dass sie weiß, warum, tut Eivor das Gleiche.
    Die Flucht. In Lyrestad tankt Lasse Nyman, und dann nimmt er die Fahrt wieder auf. Jetzt gibt es nur noch einen Platz auf der Welt, wohin er zurückkehren kann, und das ist Stockholm.
    Aber das sagt er Eivor nicht. Er lässt sie in Ruhe, lässt sie sich in ihre Ecke verkriechen. Er ist froh, dass sie bei ihm ist. Es ist schwer, ein Leben wie das seine zu führen, eigentlich fast immer allein.
    Es wird Abend, sie haben Örebro und Arborga passiert, und Eivor kennt sich plötzlich wieder aus, von der Sommerreise her. Kurz vor Köping hat die Polizei eine Straßensperre aufgestellt. Obwohl sie so platziert ist, dass man sie erst nach einer scharfen Kurve erblickt, weiß Lasse Nyman Bescheid. Er hat darauf gewartet, verwundert darüber, dass sie nicht früher aufgetaucht ist. Aber als er jetzt die schwarzen Polizeiwagen sieht, die auf beiden Seiten der Straße stehen und die Fahrbahn blockieren, ist er für wenige Sekunden ratlos. Aber nicht länger; schon schreit er Eivor an, sich festzuhalten, tritt das Gas durch und saust durch die Sperre, dass die Böcke und Schilder nach allen Seiten hin umfallen.
    Nagelmatten, denkt er. Wenn sie Nagelmatten ausgelegt haben, ist es aus. Dann muss ich mich freischießen.
    Während einiger Sekunden lähmender Angst wartet er darauf, dass die Vorderräder platzen, es unmöglich wird, das Auto zu steuern. Aber nichts geschieht, und im Rückspiegel ist die Straßensperre schon verschwunden.
    »Es kommen noch mehr«, sagt er aufgeregt. »Aber wir werden das schon schaffen. Hast du dir wehgetan?«
    Nein, sie hat sich nicht wehgetan. Es ist ihr nichts geschehen. Sie hat nur die Augen geschlossen, die Stöße gehört, und dann hat sie die Augen wieder geöffnet. Es ist, als ob sie ruhiger würde, wenn das Auto in Bewegung ist. Dann denkt sie nicht, der Kopf ist ganz leer.
    Wieder nimmt Lasse Nyman seine Zuflucht zu kleinen Waldwegen. Er weiß schon, wie er diese Teufel zum Narren halten kann. Sollen sie doch ihre Straßensperren errichten, sollen sie landesweit Alarm schlagen, er ist nicht hinter einerTanne geboren. Natürlich glauben sie, dass er auf dem Weg nach Stockholm ist, und damit haben sie ja auch recht. Aber wenn

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