Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Daisy Sisters

Titel: Daisy Sisters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
Vom Netzwerk:
Bauch, zwischen die Brüste und hoch zum Hals. Will er sie erwürgen?
    Er drückt mit seinen Fingerspitzen seitlich gegen ihren Hals. »Hier«, sagt er. »Hier.«
    »Nein«, flüstert sie. »Nein …«
    »Ich tue dir nichts«, murmelt er im Dunkeln. »Wovor, zum Teufel, hast du Angst? Sind wir nicht zusammen?«
    Zusammen? Sie? Was meint er bloß? Denkt er, dass sie miteinander gehen? Weil sie ihm gefolgt ist?
    Ja, das ist genau das, was er empfindet. Und hier in der Nacht bekommt er eine unbändige Lust, es bestätigt zu bekommen, wegzugleiten in eine andere Welt.
    Er will, dass sie sich auf die Rückbank legen, und sie wagt nicht, ihm zu widersprechen, jetzt geht es nicht länger darum, ob sie einen eigenen Willen hat. Das, was auf der Rückbankgeschieht in dem gestohlenen Saab, wird sie niemals vergessen und auch niemals verzeihen. In diesem Augenblick spürt sie, dass sie vom Leben selbst im Stich gelassen wird. Nicht nur von Lasse Nyman, sondern auch von ihren Träumen. Niemand hat sie darauf vorbereitet, dass dies passieren könnte, niemand hat ihr etwas gesagt, nirgends hat sie etwas darüber gelesen, nie so etwas im Film gesehen.
    Sie wehrt sich, aber nicht mit aller Kraft. Die Angst um ihr Leben hält sie zurück. Sie fleht ihn an, sie bettelt, sie doch in Frieden zu lassen, aber seine hilflose Wut macht ihn taub. In einer grotesken verdrehten Bewegung, während die schwarze Lederjacke gegen ihr Gesicht schabt, drängt er sich in sie hinein und hat sofort einen Erguss, eine krampfhafte Zuckung, die mehr von Schmerzen als von Genuss erfüllt ist. Für sie ist es eine brennende Qual, sowohl im Unterleib als auch im Herzen. Zuerst sieht sie, wie er einen hilflosen alten Menschen ermordet, dann vergewaltigt er sie auf dem Rücksitz eines gestohlenen Autos. So sieht ihre Begegnung mit dem Leben aus.
    Als alles vorbei ist, merkt sie plötzlich, dass sie nicht allein weint, auch unter der kalten Lederjacke dringen Schluchzer hervor. Aber Lasse Nyman weint unter Protest, er bekämpft seine Tränen, wie er alles bekämpft, was ihn anzugreifen versucht. Er krallt sich in ihren Rücken, und als sie vor Schmerzen schreit, hört auch sein klagendes, wütendes Weinen auf. Er kriecht zurück auf den Vordersitz und zündet sich eine Zigarette an.
    Das Auto füllt sich mit Rauch. Sie hört, wie er mit seinen kaputten Zähnen knirscht. Wie viel Zeit vergeht, weiß sie nicht, aber plötzlich merkt sie, dass sie keine Angst mehr vor ihm hat. Es ist, als ob er ihr nicht länger irgendeinen Schaden zufügen könnte. Was sollte noch geschehen, was schlimmer wäre?
    »Warum hast du das gemacht?«, fragt sie schließlich, und ihre Stimme zittert nicht, als sie das lange Schweigen bricht.
    Es dauert lange, ehe er antwortet.
    »Was?«, sagt er.
    »Warum hast du ihn erschossen? Warum hast du mich nicht in Ruhe gelassen?«
    Was zum Teufel soll er auf Fragen antworten, auf die es keine Antwort gibt? Doch, es gibt eine, eine einzige. Er startet das Auto und setzt die trostlose Flucht fort. Sie bleibt auf dem Rücksitz liegen, wünscht nur, dass sie schlafen könnte, und der rüttelnde Wagen wiegt sie auch bald zur Ruhe.
    Sie erwacht davon, dass das Auto steht und dass alles still ist.
    Lasse Nyman sitzt auf dem Vordersitz mit dem Revolver in der Hand. Er hat sich die Mündung in den Mund gesteckt. Er sitzt unbeweglich mit geschlossenen Augen, die Zähne schlagen auf den Revolverlauf.
    Sie weiß nicht, wie lange es dauert, bevor er den Revolver da wegnimmt und neben sich auf den Sitz legt. Sie weiß nur, dass er nicht abdrücken, sich nicht selbst töten darf.
    Ohne sich umzusehen, startet er wieder. Nach einer Weile setzt sie sich auf und tut so, als wäre sie gerade erst wach geworden. Er sieht sie im Rückspiegel mit leeren Augen an. Es dämmert. Die Straße ist grauweiß vom Morgenfrost.
    Nordöstlich von Uppsala, auf der Straße nach Östhammar, treffen sie auf die nächste Straßensperre. Auch hier fährt er, ohne zu zögern, gegen die Böcke, aber nur ein paar Hundert Meter weiter sind zwei Nagelmatten auf der Straße ausgebreitet. An einer kommt er vorbei, aber dann platzt der linke Vorderreifen. Verzweifelt versucht er, die Geschwindigkeit zu halten, während er gleichzeitig das Lenkrad herumreißt, um das Auto zurück auf die Straße zu zwingen. Nach ein paar Hundert Metern geht es nicht mehr. Er reißt den Revolveran sich und öffnet die Wagentür, um in die Wälder zu entkommen. Jetzt hat Lasse Nymans Stunde geschlagen. Von drei

Weitere Kostenlose Bücher