Daisy Sisters
jetzt!«
»Glaubst du an Gott?«
»Ich weiß nicht … Doch, vielleicht. Ein bisschen.«
»Wie sieht er denn aus?«
»Das weiß ich nicht. Glaubst du an Gott?«
»Nein. Ich glaube nicht an ihn. Ich habe nur Angst vor ihm.«
»Es ist der Teufel, vor dem man Angst haben muss.«
»Und trotzdem bist du mit einem seiner Kinder losgefahren …«
»Jetzt bist du so betrunken, dass du nicht mehr weißt, was du sagst. Es gibt doch keinen Teufel.«
»O doch. Ohne Teufel kann es auch keinen Gott geben. Da gibt das alles keinen Sinn. Wer, glaubst du, hat wen erschaffen?«
»Das sind doch nur Märchen, die da in der Bibel stehen. Aber man kann deswegen trotzdem an Gott glauben.«
»Ja, sicher. Man kann glauben, woran man will. Aber es sind die Menschen, die die Götter geschaffen haben. Nicht anders herum.«
»Der Pastor sagt das Gegenteil.«
»Dafür wird er bezahlt.«
»Er glaubt doch wohl selbst auch daran?«
»Weiß der Teufel … Aber ich habe dich gefragt, woran du glaubst?«
»Darauf hab ich dir doch schon geantwortet!«
Die Welt schwankt, die Kehle brennt, und die Augen eitern. Aber mitten an diesem Sonntag des Verfalls wird er von einer unerklärlichen Energie befallen. Er versucht aufzustehen, doch die Beine knicken ein, und er fällt zurück auf seinen Stuhl. Er muss Eivor um Hilfe bitten, und er sagt ihr,dass sie ins Zimmer hinübergehen und den zerschlissenen Koffer unter dem Bett hervorholen soll.
»Den mit der Schnur drumherum?«
»Genau den.«
Er räumt ein paar Flaschen weg und bittet sie, den Koffer auf den Tisch zu legen.
Da ist etwas, was er ihr zeigen will. Ganz unten im Koffer liegt ein kleines Etui mit Schminkutensilien und einem gesprungenen Schminkspiegel.
Er wird ihr zeigen, wie er einmal aussah, damals, als er noch aufgetreten ist.
»Was willst du sehen?«, fragt er. »Einen lustigen Soldaten, einen Fakir oder Anders aus Hossamåla.«
»Das Letzte.«
Sie ist neugierig geworden, das merkt er, und das gibt ihm die notwendige Kraft. Mit zitternden Händen geht er zum Angriff über und versucht, das aufgelöste Gesicht, das er im Spiegel erblickt, in einen rosigen Narren zu verwandeln, der das Volk zum Lachen bringen kann. Sie sitzt da und schaut ihn an. Die Maske wird nicht gut. Die Farbe klumpt, die Striche werden zittrig, der Schnurrbart will nicht halten, und als er den schmierigen Wattebausch zwischen Unterlippe und Zähne steckt, um einen vorstehenden Unterkiefer vorzutäuschen, wird ihm übel. Aber jetzt ist die Maske fertig, besser wird sie nicht; er zieht die von Motten zerfressene Weste mit dem Blumenmuster an und macht ein paar Schritte auf dem Küchenboden. Er versucht, sich an eins der Lieder zu erinnern, aber ihm fallen nur Bruchstücke ein und nicht mal eine Melodie.
»Ich müsste einen Stock haben«, sagt er entschuldigend. »Dann könnte ich Kalle P. spielen.«
Sie hat das Lied doch sicher mal im Radio gehört?
Nein, sie kennt es nicht.
»Wie findest du mich?«, fragt er und merkt, dass er atemlos geworden ist, weil er so lange ohne Stütze steht.
»Bist du so aufgetreten?«
»Genau so.«
»Das sieht ein bisschen komisch aus …«
»Was meinst du mit komisch?«
»Ja … Irgendwie altmodisch. Eine andere Zeit.«
»Das war es ja auch!«
Die Beine schmerzen so, dass er schreien möchte, statt zu singen, aber er beißt die Zähne zusammen und stolpert zum Stuhl zurück. Die Katze ist zum Herd gekrochen und faucht warnend die eigentümliche Gestalt an.
»Halt’s Maul, verdammte Katze«, brüllt er und wirft den Koffer auf den Boden. Die Katze verschwindet wie ein schwarzer Strich durch die Außentür.
»Warum hast du das gemacht?«
»Diese verdammte Katze …«
»Warum bist du so wütend? Ich finde, das war lustig. Du siehst nur so seltsam aus …«
»Du kannst jetzt gehen«, sagt er.
»Warum bist du wütend?«
»Ich bin nicht wütend. Ich will bloß allein sein.«
Sie zuckt mit den Schultern und steht auf. »Bist du sicher, dass ich hier nicht sauber machen soll?«
»Ja.«
Als sie aus der Haustür verschwinden will, hält er sie mit einem Ruf zurück. »Kümmerst du dich um die Katze, wenn ich tot bin?«
»Aber ja.«
Und dann ist sie weg.
Er schminkt sich nur flüchtig ab. Er weiß nicht, was er ihr zeigen wollte. Außerdem schmerzt es im Hals, als ob er sich verbrannt hätte.
Es dämmert, es wird Abend. Jetzt ist all seine Energie wieder fort, er schleppt sich über den Küchenboden mit dem Stuhl als Stütze.
Warum er es sich in den Kopf
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