Damals im Dezember
für Miete und mit nur geringen Ausgaben für Essen war ich in der Lage, den größten Teil meines Lohns beiseite zu legen.
Ich bekam sogar die Provision von Carlos, die er mir versprochen hatte. Meine Werbung hatte dreizehn neue Bewohner eingebracht, und so erhielt ich einen Provisionsscheck in Höhe von 6 500 Dollar. Ich kaufte mir ein Auto – einen alten Honda Civic, der Sylvias Schwester gehört hatte. »Sieht aus wie Schrott, läuft aber wie ein Kätzchen«, hatte Sylvia gemeint. Er hatte tausend Schrammen und eine Beule in der Beifahrertür, aber bei einem Preis von nur 700 Dollar konnte ich nichts falsch machen.
Während ich meine Finanzen wieder in Ordnung brachte, hatte ich eine Idee. Ich wusste, dass ich mein Geld von Sean nie zurückbekommen würde, aber ich hatte gelesen, dass man einige Spielverluste von der Steuer absetzen konnte. Und so fragte ich mich, ob ich etwas von den Steuern zurückbekommen konnte, die ich für meinen Treuhandfonds bezahlt hatte, oder ob sie sich zumindest mit meinen jetzigen Steuern verrechnen ließen. Ich schrieb Mike Semken eine SMS, in der ich ihn bat, das für mich zu prüfen, wobei ich mir nicht sicher war, ob er das tun würde, da ich streng genommen nicht mehr sein Kunde war. Aber ich war bereit, alles zu versuchen.
***
Carlos und Carmen luden mich zu sich zum Thanksgiving-Essen ein. Ihr Haus war im Pueblo-Stil erbaut und weiß verputzt und lag im Bezirk Silverado Ranch. Es war unmodern und bescheiden, hatte einen avocadogrünen Teppichboden und steckte voller Familienfotos und einer Menge Liebe. Carlos und Carmen hatten vier Kinder: Duane, Felicia, Barnard und Miguel, in dieser Reihenfolge. Die ältesten drei waren verheiratet und hatten Carlos und Carmen fünf Enkel beschert.
Ihr ältester Sohn Duane war zart und schmaler als seine beiden Brüder, obwohl er der Älteste war und Miguel noch auf die Highschool ging. Carlos hatte mir erzählt, dass bei Duane vor zwei Jahren eine Kardiomyopathie diagnostiziert worden war, die irgendwann eine Transplantation erforderlich machen würde, um ihn am Leben zu halten. Duane besaß eine Firma für Landschaftsbau und hatte zum Zeitpunkt der Diagnose keine Krankenversicherung. Mit einem derartigen Befund würde ihn nun keine Versicherung mehr aufnehmen, und angesichts der zu erwartenden Kosten von über einer Viertelmillion Dollar schien er bestenfalls geringe Aussichten zu haben, je behandelt zu werden. Er hatte sich an Medicaid gewandt, den Gesundheitsdienst für Bedürftige, aber die Mühlen der Bürokratie mahlten langsam. Duane hatte eine Frau, Tasha, und zwei Söhne, und Carlos fürchtete, dass Duane starb, bevor er die Genehmigung für eine Behandlung bekam.
Nach dem Essen half ich Carmen mit dem Geschirr und fragte sie nach Duanes Situation. Ihre Augen füllten sich mit Tränen. »Wir glauben an die Hilfe Gottes«, erwiderte sie und wischte sich mit dem Geschirrtuch über die Augen. »Das gibt uns Halt.«
Sechsunddreißigstes Kapitel
Zu meinen Kollegen bei Crisp’s gehört eine Frau namens Rachael. Sie ist still, traurig und schön. Ich weiß nicht recht, warum, aber ich würde sie gern besser kennenlernen.
Aus dem Tagebuch von Luke Crisp
Der November verstrich und ging friedlich in den Dezember über. Bei Crisp’s bereitete Suman seinen für die Woche vor Weihnachten geplanten Weggang vor. Ich war traurig, dass er ging. Er war ein guter Mann mit einem trockenen Humor. Er erledigte seine Tagesschicht zuverlässig und gewinnbringend und fand nebenbei trotzdem noch die Zeit, sie unterhaltsam zu gestalten, indem er vor allem Colby Streiche spielte. Ich glaube, sein genialster Streich bestand darin, Mentos-Kaubonbons in Eiswürfel einzufrieren und sie dann in Colbys Diätcola zu werfen, als dieser gerade nicht guckte. Es dauerte fast fünfzehn Minuten, bis Colbys Coke explodierte. Colby kam nie dahinter, was passiert war.
Wayne verbrachte viel Zeit mit mir, um über die Kunden und die Finanzen zu sprechen, wobei ich manchmal so tun musste, als würde ich die Zusammenhänge nicht verstehen. Es wurde für mich offensichtlich, dass er mich darauf vorbereitete, Sumans Position zu übernehmen. Von Suman erfuhr ich, dass Rachael die Dienstälteste war, aber obwohl sie zweifellos das mit der Position verbundene höhere Gehalt gebrauchen konnte, würde sie vermutlich bei der Vergabe der Stelle übergangen werden. Sie arbeitete hart, aber es schien ihr an Ehrgeiz zu mangeln, und zu viele ihrer Kunden hatten sich darüber
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