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Damals im Dezember

Damals im Dezember

Titel: Damals im Dezember Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Paul Evans
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schwierig gewesen, sie überhaupt dazu zu bringen, sich zu öffnen, und so fragte ich mich nun, ob ich diese Gelegenheit je bekommen würde.
    Scottsdale liegt rund fünfhundert Kilometer von Las Vegas entfernt. Man fährt auf dem Highway 93 fast schnurgerade nach Südosten. Das dauert fünf Stunden, wenn man sich an das Tempolimit hält, und viereinhalb, wenn man es wirklich eilig hat. Ich schaffte es, am späten Nachmittag in Phoenix zu sein, und fuhr gleich zur Hauptverwaltung von Crisp’s. Dort stieg ich in den Fahrstuhl und fuhr in den siebten Stock, wo das Büro meines Vaters gewesen war. Ich erkannte es kaum wieder. Die Möbel im Vorzimmer waren anders: glatt, neu und angeberisch – ebenso wie die junge Frau, die am Empfangstresen saß.
    »Ich bin hier, um Henry zu sprechen«, teilte ich ihr mit.
    Sie sah mich ausdruckslos an. »Haben Sie einen Termin?«
    »Ich brauch keinen. Sagen Sie ihm, dass Luke Crisp da ist.«
    »Luke wer?«
    »Crisp, wie in Crisp’s Copy Centers.« Als sie nicht reagierte, fügte ich hinzu: »Die Firma, für die Sie arbeiten.«
    »Weiß Mr Price, worum es geht?«
    »Holen Sie ihn einfach«, erwiderte ich ungeduldig.
    Sie hob den Hörer ihres Telefons und drückte auf einen Knopf. Ich hörte, wie sie mit gedämpfter Stimme meinen Namen sagte. Einen Moment später teilte sie mir mit: »Mr Price hat vor morgen Nachmittag keine Möglichkeit, sich mit Ihnen zu treffen.«
    »Er wird mich jetzt treffen«, erwiderte ich und ging an ihr vorbei den Flur entlang und in Henrys Büro.
    Henry telefonierte gerade und warf mir einen überraschten, wenig erfreuten Blick zu. Das Büro meines Vaters hatte sich ebenfalls verändert. Die neue Einrichtung entsprach dem modernen Stil des Empfangsbereichs. Selbst Henry sah anders aus. Er trug ein teuer wirkendes Jackett mit einem schwarzen T-Shirt darunter.
    »Henry«, sagte ich.
    Er hob einen Finger, um mich zum Schweigen zu bringen. »Einen Augenblick«, sagte er ins Telefon. »In mein Büro hier ist gerade jemand hereingeplatzt. … Kein Problem, ich werde Sie gleich wieder anrufen. … gleichfalls.« Er legte den Hörer auf, wobei er mich keinen Moment aus den Augen ließ. »Luke, was für eine Überraschung. Was bringt dich in den Grand-Canyon-Staat zurück?«
    »Ich muss mit dir über die Veränderungen sprechen, die du bei Crisp’s durchführst.«
    Er lehnte sich in seinem Sessel zurück, die Hände auf dem Schreibtisch gefaltet. »Welche Veränderungen denn?«
    »Etwa die, dass du langjährige Mitarbeiter feuerst, bevor sie ihre Betriebsrente in Anspruch nehmen können.«
    »Ich feuere keine Leute, damit sie ihre Betriebsrente verlieren. Ich entlasse nur diejenigen, die nicht mit uns Schritt halten.«
    »Das ist eine Lüge, Henry. Das Unternehmen ist insgesamt unten, weil die gesamte Wirtschaft unten ist.«
    »Aus diesem Grund muss auch jemand die harten Entscheidungen treffen, die für das Unternehmen richtig sind.«
    »Mein Vater würde es nie auf diese Weise machen.«
    »Da hat du recht. Aber dein Vater leitet Crisp’s nicht mehr, Luke. Das ist jetzt meine Show.«
    Die Art, wie er das sagte, klang rebellisch, als habe er meinen Vater vom Thron gestoßen.
    »Du machst einen Fehler, Henry.«
    »Und wer sagt das? Vor allem war die Betriebsrente von Crisp’s ein Fehler. Du hast das selbst gesagt. Keine reale Kapitalrendite.«
    »Keine Kapitalrendite? Wie wäre es mit Mitarbeiterzufriedenheit und -bindung?«
    Henry grinste. »Wir brauchen keine längjährigen Mitarbeiter, um Geld zu machen. Wir sind ein Kopierunternehmen, nicht die NASA. Die meisten unserer Leute könnten durch trainierte Affen ersetzt werden.«
    »Wie wäre es mit Loyalität? «
    »Wie wäre es mit Gewinn? «, konterte er. »Das ist der Grund, warum Unternehmen existieren. Oder bringen sie das einem an der Wharton nicht mehr bei?« Er beugte sich vor. »Was willst du hier wirklich, Luke? Woher dieses plötzliche Interesse an alldem …«
    »Ich bin nicht wegen mir hier. Ich bin wegen der Leute hier, mit denen ich zusammenarbeite.«
    Er sah mich fragend an. »Wegen der Leute, mit denen du zusammenarbeitest?« Plötzlich leuchteten seine Augen auf. »Moment mal. Du willst mir doch nicht erzählen, dass du für Crisp’s arbeitest?«
    »Für den Shop 317 in Las Vegas.«
    »Wow, das ist … poetisch. Der verlorene Sohn bekommt seinen Lohn.« Er stöhnte amüsiert auf.
    »Henry, diese Leuten haben uns vertraut. Bitte schade ihnen nicht. Deine Entscheidungen treffen die Leute, die dieses

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