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Damals warst du still

Titel: Damals warst du still Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christa von Bernuth
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funktioniert.«
    »Überhaupt nicht?«
    »Ich glaube, während des Seminars schon. Dort fühlte sich Paolo sogar wie befreit, und er war diesem Plessen wahnsinnig dankbar. Aber danach hatte er Angstzustände. Panikattacken. Abends in seinem Hotelzimmer.«
    »Wieso?«
    »Das konnte er mir nicht sagen. Er hatte nur diese körperlichen Symptome, diese Angst, einen Herzinfarkt zu bekommen: Schweißausbrüche, wahnsinnige Atemnot. Dazu die fixe Idee, an seiner Sucht und seinem Ungenügen zu sterben wie sein Vater und sein Großvater. Als Paolo das Plessen mitgeteilt hat, hat Plessen das Ritual am nächsten Tag wiederholt, am dritten Tag des Seminars. Aber in der Nacht darauf wurden die Zustände wieder schlimmer, und am nächsten Tag hat Paolo das Seminar abgebrochen.«
    »Anschließend kam er zu Ihnen.«
    »Ja, er hat sich in den Zug gesetzt und sein Auto stehen lassen, weil er dachte, dass er in seinem Zustand nicht selber fahren könne. Er war die ganze Nacht bei mir, er konnte nicht mehr allein schlafen, aus Furcht vor diesen Zuständen. Er war vollkommen fertig. Ich habe Angst um ihn gehabt, aber ich wollte ihn auch nicht ständig um mich haben.«
    »Sie haben ihn am nächsten Tag wieder nach Hause geschickt.«
    »Ja. Ich wollte doch gar nicht mehr mit ihm zusammen sein. Ich... Wir waren doch geschieden. Er hatte mich betrogen, ich hatte ihn betrogen, wir haben uns gestritten, und irgendwann war unsere Liebe tot. Und ich wollte ein neues Leben ohne ihn. Es gab einen anderen Mann, mir ging es wieder gut, und ich bin nun einmal keine Krankenpflegerin.«
    »Das ist okay«, sagte Mona sanft.
    »Ich kann mich doch nicht mein ganzes Leben um ihn kümmern!« Das klang wie ein Aufschrei.
    »Nein«, sagte Mona beruhigend. »Das hätte keiner von Ihnen verlangen können.«
    Die Frau begann nun doch zu weinen. Mona zündete ihr eine Zigarette an, beugte sich vor und schob sie ihr zwischen die Lippen. Die Frau lächelte unter Tränen und zog daran. »Es tut mir Leid«, sagte sie zum zweiten Mal.
    »Sollen wir eine Pause machen?«, fragte Mona.
    »Nein. Es geht schon.« Claudia Gianfranco holte ein Taschentuch aus ihrer Handtasche, wischte sich die Augen und schnäuzte sich. Etwas Wimperntusche war verlaufen, aber keiner der Anwesenden machte sie darauf aufmerksam.
    »Was ist danach passiert?«, fragte Mona. »Ich meine, haben Sie noch einmal mit ihm telefoniert oder sich gemailt oder etwas in der Art?«
    »Ja, wir haben ganz oft telefoniert. Er hat... Er hat mir erzählt, dass er wollte, dass Plessen dieses Ritual bei ihm wiederholt. Es wurde die nächste fixe Idee von ihm. Aber Plessen...«
    »Ja?« Mona horchte auf.
    »Er hatte wohl keinen freien Termin mehr für Paolo. Also, ich kann das verstehen, der Mann war total ausgebucht, inzwischen kam ja auch die Fernsehsendung, die seine Therapie dann auch hierzulande erst richtig bekannt gemacht hat.«
    »Ja.« Mona erinnerte sich wieder an die Sendung, an Plessens gelassene Art und an den hektischen Moderator mit seinem ungeschickten Gestammel. Und plötzlich, als hätte sich in ihrem Kopf eine Tür geöffnet, erinnerte sie sich noch an etwas anderes.
    Das verzückte Publikum. Ein Schwenk der Kamera, die begeisterten Gesichter der Leute. Ihr war das damals etwas aufgestoßen, und sie hatte sich überlegt: War das vielleicht gar nicht das normale Publikum? Hatte Plessen einfach seinen Fanclub ins Studio befehligt?
    »Plessen konnte Paolo also erst einen Termin für den kommenden Herbst geben.«
    »Aha«, sagte Mona langsam.
    »Darüber hat Paolo sich furchtbar aufgeregt.«
    »Ja, das kann ich verstehen. Was hat er denn genau gesagt?«
    »Dass er das eine Schweinerei findet. Dass man so nicht mit Menschen umgehen kann. Solche Sachen.«
    »War er jemand, der zur Gewalt neigt?«
    »Nein. Eigentlich nicht.«
    »Hat er Drohungen ausgesprochen. Gegen Plessen?«
    »Drohungen? Nein, das nicht. Aber er war besessen von diesem Mann. Er hat ihn bestimmt noch zwei-, dreimal angerufen, damit dieser Plessen den Termin doch vorverlegt. Aber es hat nicht geklappt.«
    »War das typisch für ihn? Ich meine, sich mit Absagen nicht abzufinden – hat er öfter so auf ein Nein reagiert?«
    Die Frau dachte nach. Dann sagte sie: »Er konnte schon sehr penetrant sein. Mit Abfuhren hat er ganz schlecht umgehen können.«
    »Da wurde er schon mal aggressiv?«
    »Ja. Er konnte schon... Er konnte dann richtig heimtückisch und intrigant sein.«
    »Ist er vielleicht doch mal gewalttätig geworden? Ich meine

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