Damals warst du still
Gesichter. Dann sahen sie ihr nach, wie sie hoch aufgerichtet und mit sicherem Schritt das Büro verließ und die Tür leise hinter sich schloss.
31
Donnerstag, 24. 7., 13.00 Uhr
Die Konferenz des Tages fand in voller SoKo-Besetzung statt: Berghammer, Mona, die Mitglieder der MK 1, jeweils ein Mitglied der übrigen vier Mordkommissionen, Clemens Kern und Sigurd Wimmer von der OFA und die zwei LKA-Beamte Daniel Radomski und Michael Schütz. Mona rutschte unruhig auf ihrem Stuhl hin und her: Sie wollte keine weitere Besprechung. Sie wollte Plessen vernehmen, mit David Gerulaitis telefonieren (auch heute früh war er nicht zu erreichen gewesen, auf seinem Festnetzanschluss lief der Anrufbeantworter, auf seinem Handy die Mailbox), kurz: aktiv werden, statt reden. Mona hatte nicht direkt etwas gegen SoKos, in der Theorie waren sie hervorragende Einrichtungen. Vor allem wenn einem die Medien im Nacken saßen und Ergebnisse verlangten, die sie drucken oder senden konnten, machte sich die Errichtung einer SoKo immer gut. Aber wahr war eben auch: Je mehr Leute an einem Fall arbeiteten, desto langwieriger gestaltete sich die Koordination der Ergebnisse, desto schwerfälliger wurden die internen Abläufe, desto weniger Raum blieb für spontane Entscheidungen. Und viele der nötig gewordenen Besprechungen gerieten zu lang und waren deshalb einfach Zeitverschwendung.
Aber so etwas sagte man nicht. Und als Leiterin der MK 1 konnte es sich Mona auch nicht erlauben, der Veranstaltung einfach fernzubleiben und ermittlungstechnisch ihr eigenes Süppchen zu kochen. Wozu sie durchaus neigte und was ihr Berghammer auch schon vorgeworfen hatte: dass sie im Grunde ihres Herzens alles andere war als ein Teamplayer, dass aber Ermittlung Teamarbeit sei und nicht für Einzelkämpfer geeignet, die sich profilieren wollten. Und so weiter.
»Ich hätte gern was zu erzählen auf der PK«, begann Berghammer, was übersetzt hieß: Gebt mir was, Leute. Möglichst ein Ergebnis, mit dem wir punkten können. Forster hob seine Hand, Mona erteilte ihm das Wort, Forster machte ein triumphierendes Gesicht. »Dieser Gianfranco hat eine Anklage wegen Nötigung bekommen«, sagte er und tippte mit seinem Kugelschreiber auf seinen offenen Block.
»Und?«, fragte Mona. »Verurteilung?«
»Das nicht«, sagte Forster und sah Mona an, als sei sie ein Spielverderber. »Die Anklage musste fallen gelassen werden. Keine Beweise.«
»Wer hat ihn angezeigt?«
»Eine Sylvia Schmidt aus Zürich. Wir suchen sie noch. Ich meine, das Ganze ist zehn Jahre her und...«
»Zehn Jahre?«
»Ja und? Nötigung ist immerhin...«
»Schon gut«, sagte Mona. »Also Nötigung.«
»Er war damals Medizinstudent und diese Sylvia Schmidt seine – äh – Kommilitonin oder wie man das nennt. Er hätte sie unsittlich berührt und auch bedroht.«
»Wie bedroht?«
»Eher erpresst als bedroht. Sie hatte zu diesem Zeitpunkt was mit ihrem Professor und wollte nicht, dass das rauskommt. Er hat gesagt, wenn sie...«, Forster machte eine einschlägige Geste mit den Händen, was ihm beifälliges Grinsen eintrug, »... dann würde er nichts sagen. Diese Sylvia fand das gar nicht witzig und so kam es zur Anklage.«
»Wie endete das Ganze?«
»Er hat alles abgestritten und behauptet, in Wirklichkeit sei sie in ihn verliebt gewesen. Wie gesagt: Die Anklage wurde fallen gelassen aus Mangel an Beweisen. Gegen ihn ausgesagt hat auch keiner.«
»Ziemlich vage Geschichte«, bemerkte Mona, was ihr einen ärgerlichen Blick von Berghammer eintrug. Berghammer hatte sich auf diesen Täter eingeschossen, das war ihr klar, und sie wusste auch, warum, aber das Problem war: Sie glaubte überhaupt nicht daran. Keine Sekunde lang, schon gar nicht nach dieser Vernehmung. Dabei, dachte sie, ließ sie die Fakten keineswegs außer Acht: Paolo Gianfranco war mit Sicherheit ein unglücklicher, vielleicht auch ziemlich neurotischer Mensch gewesen, er hatte sich zu den Tatzeiten in der Stadt aufgehalten, er hatte jeweils kein Alibi, er hatte Zugang zu Heroin und war selbst süchtig gewesen, und er hatte nicht zuletzt Grund, Plessen zu hassen. Trotzdem. Das Muster der beiden Taten, Clemens Kerns ausgefeiltes Psychogramm des Täters: Da stimmte einfach nichts überein.
Andererseits war das nicht unbedingt ein Argument, gab Mona vor sich selbst zu.
»Clemens«, sagte sie. »Was meinst du?«
Und Kern sagte zu ihrer Erleichterung genau das, was sie erwartet hatte, wenn auch auf seine vorsichtig gewundene Art: »Er
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