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Damals warst du still

Titel: Damals warst du still Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christa von Bernuth
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Charles seiner Theorie zufolge ja wohl alles richtig gelaufen ist. Aber diese Ehe hat ja wohl auch nicht funktioniert.«
    »Äh, nein, das stimmt.«
    »Dazu kommt, dass er immer diese Leute um sich herum hat. Sie sind wie... Jünger. Es gibt zum Beispiel Artikel über ihn in seriösen Blättern, die von seinen Leuten lanciert und geschrieben wurden, und die Redakteure haben es nicht einmal gemerkt.«
    »Aha.« Wieder dachte Mona an die Fernsehsendung mit den gedungenen Claqueuren Plessens (oder bildete sie sich das jetzt nur ein?).
    »Ich kann Ihnen das Material geben.«
    »Ja. Danke.«
    »Ich hasse diesen Mann«, sagte Claudia Gianfranco. »Ich würde alles tun, um...«
    »Frau Gianfranco!«
    »Paolo ist sein Opfer, ich bin absolut überzeugt davon.«
    »Würden Sie Paolo…, würden Sie ihm zutrauen, dass er einen Mord begeht?«
    »Ich habe die ganze Nacht darüber nachgedacht. Gestern hätte ich noch gesagt: nie im Leben. Niemals.«
    »Aber?«, fragte Mona.
    »Er hat sich sehr verändert die letzten Wochen... Ich weiß es einfach nicht.«
    »Was glauben Sie, was mit ihm passiert ist?«
    »Ich glaube, ich bin sicher, dass er Opfer einer Gehirnwäsche geworden ist.«
    Vielleicht, dachte Mona, aber das macht ihn ja noch lange nicht zu einem Mörder.
    »Wissen Sie«, sagte Claudia Gianfranco, und ihre Stimme wurde lauter und hektischer, und nun merkte man erst richtig, wie oft und intensiv sie sich mit diesem Thema beschäftigt hatte: »Die Leute kommen zu diesem Plessen oder einem anderen, der arbeitet wie er, mit den Bruchstücken ihrer Familiengeschichte. Mehr haben sie nicht in der Hand, nur diese paar Puzzlestückchen. Denn mehr hat man doch nie, da kann man doch recherchieren wie man will, die ganze Wahrheit kennt keiner, weil die so viele individuelle Facetten hat, da wird man ja schon beim Suchen verrückt! Und dann erwarten diese armen Leute, dass jemand diese unvollständigen Puzzlestückchen alle wieder zusammensetzt und die Leerstellen mit seinen Erkenntnissen ergänzt, damit sich ein Bild ergibt, eine schlüssige Story. Und plötzlich sehen die Leute ihr Leben wie ein Drama mit Anfang, Höhepunkt und Schluss. Und mir ist schon klar, viele wollen das so. Es macht sie zu jemandem. Zu einer Persönlichkeit mit einer individuellen Geschichte. Ich verstehe das schon.«
    »Frau Gianfranco...«
    »Und sie wollen und brauchen das, um sich selbst vollständig zu fühlen. Verstehen Sie, was ich meine? Aber das ist letztlich eine Illusion. Wir werden nie die ganze Wahrheit kennen, nur unsere individuelle Version davon. Und manche bezahlen bitter für diese Illusion.«
    »Sie meinen Ihren Exmann.«
    »Ja. Paolo hätte da nie hingehen dürfen.«
    »Sie haben sich richtig damit auseinander gesetzt.«
    »Ein paar Wochen lang, ja. Dann habe ich es wieder gelassen. Ich habe versucht, Paolo von dieser Sache abzubringen, aber er hat nicht losgelassen. Im Gegenteil...«
    »Ja.«
    »Man kann machen, was man will. Menschen ändern sich nicht. Wenn sie eine fixe Idee haben, lassen sie sich nicht überzeugen.«
    »Das stimmt sicher. Frau Gianfranco...«
    »Ja?«
    »Danke, dass Sie uns so geholfen haben!«
    Die Frau sah Mona an, ihre Augen waren jetzt sehr groß und voller Tränen. Mona konnte nicht anders: Sie griff über den Schreibtisch nach der Hand Claudia Gianfrancos. »Sie haben eine Menge durchgemacht«, sagte sie. »Können wir noch irgendetwas für Sie tun?«
    Claudia Gianfranco entzog Mona ihre Hand. Sie schien aufzuwachen und wurde im Handumdrehen wieder zu der beherrschten, selbstbewussten Frau, die sie der Öffentlichkeit präsentierte, auch wenn sie im Privatleben gern einmal schwach gewesen wäre. Aber das würde immer ein Wunschtraum bleiben, denn sie gehörte zu der Art Frau, der man Schwächen nicht erlaubte. Von der man im Gegenteil verlangte, dass sie stets mit allem fertig wurde. Und die deshalb immer wieder an Leute wie ihren Exmann geraten würde, deren Leben sie in die Hand nehmen musste und die selbst nach der Trennung noch an ihrem schwesterlichen Rockzipfel hingen.
    Was sie wohl für eine Familie hatte? Welche »Bestimmung« ihr wohl das Leben schwerer machte als notwendig?
    Fragen, die sie nicht weiterbrachten. Hatte diese Vernehmung sie weitergebracht?
    Mona zweifelte daran.
    Frau Gianfranco stand auf und schüttelte ihnen allen dreien mit einer gewissen Feierlichkeit die Hand. Fischer und Berghammer standen sogar auf; soweit Mona aus den Augenwinkeln sehen konnte, hatten sie reichlich belämmerte

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