Damals warst du still
sie plötzlich, ist mit dem Opfer verwandt. Er ist jung, er glaubt, sie... Mona schloss den nun folgenden Gedanken in sich ein, bis auf weiteres. Sie würde sich diese – na ja – Idee merken (sie, die überhaupt nicht an Dinge wie Intuition glaubte!). Und sie würde das morgen mit Clemens Kern besprechen. Aber jetzt waren andere Dinge wichtig. Zum Beispiel die beiden eingeritzten Buchstaben.
D-U
Das war keine Überraschung. Der Satz hatte so weitergehen müssen, wenn er Sinn ergeben sollte. D-A-M-A-L-S / W-A-R-S-T / D-U... Was war wer – wann? Und warum? Und wer konnte das nächste Opfer sein – außer Fabian oder Roswitha Plessen? Zwei Streifenwagen standen vor dem Anwesen, ein Schupo war zum persönlichen Schutz von Plessen und seiner Frau abgestellt, nach Monas Meinung zu wenig angesichts des riesigen, einsam gelegenen Grundstücks, aber mehr waren nicht genehmigt worden. Personalknappheit. In jeder Krise wurde als Erstes am Personal gespart. Kein Wunder, dass niemand diesen Job mehr machen wollte.
Mona betrachtete die beiden Buchstaben genauer. Auch diese Verletzungen waren post mortem zugefügt worden. Mona nahm einen Arm der Toten in die Hand und drehte ihn hin und her. Es gab eine Menge Einstiche in der Armbeuge und im Handrücken – aufgrund ihrer Krankheit hatte Helga Kayser wahrscheinlich ständig Injektionen bekommen – und einen Einstich, der frischer aussah als all die anderen. Sie würden wohl also auch bei Helga Kayser eine Überdosis Heroin im Blut finden.
Sie hätten diese Frau retten können. Mona hätte nur bei ihr bleiben müssen, sonst nichts. Falls das nicht möglich gewesen wäre, hätten sie unauffälligen Personenschutz beantragen können. Sie hätten den Mörder bereits fassen können. Es war nicht passiert, weil Berghammer keine Geduld gehabt hatte. Und weil Mona sich bei ihm nicht durchgesetzt hatte. Er war ihr Chef, aber er hatte einen Fehler gemacht, und sie hätte ihn nachdrücklicher darauf hinweisen müssen.
So etwas würde ihr nicht mehr passieren. Nie mehr.
»Martin«, sagte sie, immer noch bei der Leiche kniend.
Berghammer drehte sich um und betrachtete sie, ohne ein Wort zu sagen.
»Wir sollten jetzt das Haus durchsuchen«, sagte Mona.
»Sicher«, antwortete Berghammer schließlich und kam langsam auf sie zu, das schwere Gesicht grau vor Müdigkeit. Mona stand auf und sah ihm direkt in die Augen. Es fiel ihr nicht leicht, die Beherrschung zu bewahren. »Wir haben einen Riesenfehler gemacht«, sagte sie. Berghammer senkte den Blick. Zum ersten Mal, seit sie ihn kannte, fand sie, dass er alt aussah. In jeder Beziehung.
»Ja«, sagte er und nickte mehrmals vor sich hin, als müsste er sich selber überzeugen, dass es so war.
»Wir haben nicht viel Zeit«, sagte Mona. »Der..., der wartet nur auf seine nächste Chance.«
»Okay. Fangen wir an.«
»Sind die Plessens benachrichtigt worden?«
»Ja.«
»Die Schupos, die sie bewachen?«
»Ja.« Er antwortete ihr wie ein Schuljunge seiner Lehrerin.
5
Freitag, 25. 7., 2.18 Uhr
Es war nicht einfach gewesen, Fabians Büro zu finden, aber David hatte Glück gehabt. Erstens, dass es sich im Erdgeschoss befand und nicht im ersten Stock wie die Schlafräume. Und zweitens, dass das gesamte Erdgeschoss mit Marmor ausgelegt war. David hatte nicht vergessen, seine Schuhe auszuziehen, und barfuß konnte man auf diesem Boden fast geräuschlos laufen. Neben dem Wohnzimmer und der Küche entdeckte er noch drei weitere Räume; den Trakt, in dem sich der Gruppenraum, eine kleine Küche und ein Bad befanden, kannte er ja bereits. Ein Raum war abgesperrt, ein weiterer sah aus wie eine überdimensionierte Abstellkammer und wurde offenkundig zu nichts anderem benutzt. Der dritte Raum grenzte an den zweiten. Und hier befand sich das, was David suchte: Im Schein seiner Taschenlampe entdeckte er einen aufgeräumten Schreibtisch aus glatt poliertem hellem Holz, darauf einen PC älteren Baujahrs, darunter einen kleinen Rollcontainer.
David schwitzte, nicht nur vor Aufregung, sondern weil der Raum so warm und stickig war und so staubig roch. Er schloss vorsichtig die Tür hinter sich. An dem Fenster gegenüber der Tür befand sich ein Rollo. David ließ es langsam ganz herunter, bis sich die Lamellen lückenlos aneinander schmiegten: Es schien dicht zu sein. David schaltete das Deckenlicht ein. Selbst wenn das Rollo doch nicht alles abschirmte – weniger verdächtig als der hin und her schießende Strahl einer Taschenlampe war eine ruhige,
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