Damals warst du still
Mona.
»Natürlich. Könntet ihr...«
»Sicher, Fabian«, sagte einer der beiden Männer. »Bitte sag Bescheid, wenn du uns brauchst.«
»Macht es euch einfach auf der Veranda gemütlich.«
»Kein Problem.« Sie verschwanden lautlos wie Erscheinungen.
Mona fiel auf, dass alle vorhandenen Lampen eingeschaltet waren, nicht nur im Wohnzimmer, auch in der Diele: Das Haus war so hell erleuchtet, als wollte es ein Signal setzen gegen die ewige Dunkelheit des Todes. Das Wohnzimmer war zur Terrasse hin verglast, und Mona überlegte unwillkürlich, wer von den Journalisten sie gerade beobachtete, daraus seine Schlüsse zog und vielleicht ein paar unscharfe Bilder schoss. Aber sie sagte nichts, um das Paar nicht noch mehr zu beunruhigen.
»Haben Sie mit jemand von den Medien gesprochen?«, fragte sie Plessen.
»Nein.«
»Das ist gut«, sagte Mona. »Ich meine, einige von denen bieten viel Geld für Exklusivgeschichten. Trotzdem wäre es besser...«
»Wir werden sehen«, sagte Plessen mit entschiedener Stimme, sichtlich bestrebt, das Thema zu beenden.
»Möchten Sie mit uns essen?«, fragte seine Frau, die noch dünner und blasser aussah als bei ihrer Vernehmung im Dezernat und nicht nur tieftraurig, sondern auch verunsichert wirkte. Was bot man Polizisten an, die ausgerechnet zur Abendessenszeit einen Besuch abstatteten?
»Nein danke«, sagte Mona höflich, obwohl sie großen Hunger hatte und sicher war, dass es Bauer genauso ging.
»Vielleicht einen Kaffee? Ich habe auch Cappuccino und...«
»Kaffee für mich, schwarz, danke«, sagte Mona.
»Für mich auch«, sagte Bauer eilig, sichtlich eingeschüchtert von dem Reichtum und dem Geschmack, den diese Umgebung ausstrahlte.
Frau Plessen zog sich daraufhin in die Küche zurück, Plessen selbst blieb bei Mona und Bauer im Wohnzimmer. Der Raum war sehr groß, es gab nur wenige Möbel darin, und jedes einzelne Stück wirkte, als sei es speziell für den Platz, an dem es stand, hergestellt worden. Mona und Bauer nahmen vorsichtig Platz auf einer voluminösen Couch aus rot changierendem Stoff, der aussah und sich anfühlte wie Seide. Plessen setzte sich gegenüber in einen schwarzen Sessel. Zwischen ihnen stand ein blank polierter Glastisch auf einem quadratischen Sockel aus grünlichem Metall. Mona stellte vorsichtig das Tonbandgerät auf den Tisch, schaltete es ein, und sprach die üblichen Präliminarien darauf.
Sie wusste nicht genau, was bei dieser Vernehmung herauskommen sollte, und das machte die Situation schwierig. Dass Plessen kein Verdächtiger war, stand für sie weiterhin fest. Auch seine Frau schied in ihren Augen aus. Was also konnten die beiden wissen, was sie wirklich weiterbrachte? Hatten sie bei der ersten Vernehmung etwas verschwiegen, und wenn ja, war das Absicht oder Versehen gewesen oder nur deshalb passiert, weil sie nicht die richtigen Fragen gestellt hatten?
»Sie haben erfahren, dass Frau Martinez umgebracht wurde?«
»Ja, das hat mir einer Ihrer Mitarbeiter gesagt. Herr...«
»Bauer. Patrick Bauer. Mein Kollege hier.«
»Oh, entschuldigen Sie, ich hab vorhin Ihren Namen nicht richtig verstanden.«
»Macht nichts«, sagte Bauer. Mona spürte mehr, als dass sie es sah: Bauer war nervös, verlagerte ständig seinen Schwerpunkt, rutschte hin und her und machte damit auch sie nervös. Als sie vor dem Haus der Plessens parkten, hatten sie vor dem Aussteigen noch kurz über die Strategie der Vernehmung gesprochen. Bauer, so wollte es Mona, sollte sich zurückhalten, aber genau zuhören, und sofort einhaken, falls ihm Widersprüche auffielen. Das zumindest konnte Bauer nämlich wesentlich besser als seine Kollegen, speziell Fischer: genau zuhören. Und dabei nicht dreinschauen, als würde er seinem Gegenüber am liebsten ins Gesicht springen.
»Frau Martinez ist wahrscheinlich auf ähnliche Weise umgekommen wie Ihr Sohn«, sagte Mona.
Plessen wurde noch blasser, als sei ihm bislang nicht klar gewesen, dass zwischen den beiden Morden ein Zusammenhang bestehen musste. Kunststück, dachte Mona, sie hatten ja selber nicht daran glauben wollen. Ein Mord aus Rache oder Habgier, begangen vom Ehemann, wäre so viel einfacher gewesen und hätte so viel weniger lästige Öffentlichkeit eingebracht. Fernsehen, Radio, Presse – alle hatten blitzschnell Bescheid gewusst und die entsprechenden Schlüsse gezogen, jeder wollte Interviews und Statements, niemand ließ sich mehr von der von Berghammer in Aussicht gestellten PK am nächsten Morgen
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