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Damals warst du still

Titel: Damals warst du still Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christa von Bernuth
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Taschenlampen fast weiß wirkten. David genoss den Triumph.
    »Polizei, Hände hoch und aussteigen«, sagte er mitten in Hervés versteinerte Miene. Hervé legte die Hände hinter den Kopf und stieg aus, mit lässigen Bewegungen, als hätte er diese Prozedur schon tausendmal hinter sich gebracht. Was vermutlich auch der Fall war – früher, als er noch als Kleindealer unterwegs gewesen war, bevor er seine Position innerhalb der Familie gefestigt und einen exklusiveren Kundenkreis zugewiesen bekommen hatte, und damit mehr oder weniger unangreifbar geworden war.
    »Stellen Sie sich bitte an die Motorhaube. Beide Hände auf die Motorhaube, Beine auseinander.« Janosch stand hinter Lydia, die schwarze Satin-Pumphosen trug und darüber eine schwarze, durchsichtige Bluse. Ihr langes blondes Haar fiel wie ein Vorhang über ihr Gesicht, als sie sich folgsam auf die Motorhaube stützte. David sah sie zittern und beneidete einen Moment lang Janosch, der das Privileg hatte, sie abzutasten. Dann wandte er sich Hervé zu und ließ seine Hände mit nicht allzu sanftem Druck an ihm heruntergleiten. Beine, Arme, Schultern. Gürtel, Gürtelschnalle. Jeans, die sich hart anfühlten, als wären sie neu oder frisch gewaschen. Hervé ließ alles wortlos über sich ergehen. David befahl ihm, die Stiefel auszuziehen, und sah nach, ob die Absätze ausgehöhlt und zu Verstecken präpariert waren. Er fand nichts.
    »Hier«, sagte Janosch, als David Hervé seine Schuhe zurückgab, wieder mit diesem rätselhaften Gefühl, einen verhängnisvollen Fehler gemacht zu haben. Aber Janosch lächelte triumphierend und hielt ein Plastik-Päckchen mit braunem Inhalt hoch. Um sie herum wurde es plötzlich lebhaft; Leute stiegen in ihre Autos, David hörte heiseres Männerlachen, hohes Mädchengekicher, Anlasser dröhnten auf – er achtete nicht darauf. Niemand schien sich um das zu scheren, was sich bei Hervés Auto abspielte.
    »Gut«, sagte David ohne große Begeisterung, Lydia war ja nicht diejenige, die sie wirklich wollten. Sie begannen, Hervés Mercedes zu filzen. Sein Wagen war groß, und es nahm viel Zeit in Anspruch, den Innenraum zu durchsuchen. Der Erfolg war gleich null. Sie fanden nicht einmal Zubehör wie Ascorbinsäure zum Strecken der Drogen, Zitronensaft zum Aufkochen, verkohlte Löffel, eine Schnur zum Abbinden des Oberarms. Selbst der Aschenbecher war sauber und leer. Auch der Rest des aufgerauchten Joints tauchte nicht auf. Vielleicht hatte Hervé ihn verschluckt, vielleicht würden Tatortleute zerkrümelte Reste davon auf der staubigen Fußmatte finden – falls man sie anforderte, was angesichts der Lage viel zu aufwändig wäre und deshalb nicht in Frage kam.
    Auch in Lydias Auto fand sich nichts. Blieb das Päckchen Heroin.
    »Sie können sich umdrehen«, sagte Janosch zu Lydia, die wie Hervé immer noch gebückt über der Motorhaube stand. Lydia richtete sich auf, dehnte und streckte ihre Glieder, warf den Kopf zurück. Ihre langen blondierten Strähnen fielen wie Peitschen auf den Rücken. Dann erst drehte sie sich um. Ihre Augen waren rot, ihre Pupillen klein. Das kam vom Shit. David sah, dass sie leicht zitterte, aber das musste nicht der Heroin-Entzug sein. Vielleicht fror sie einfach, genauso wie er auch. Er überlegte. Langsam gab die Dämmerung einen bedeckten Himmel frei und tauchte die Szenerie in graues Licht.
    »Hervé hat Ihnen das Zeug verkauft, oder?«, fragte David schließlich.
    Lydia senkte den Kopf und sah ihn von unten herauf an. Sie hatte sich auf den Kotflügel gesetzt, das rechte Bein baumelte über dem Scheinwerfer und sie gab sich redlich Mühe, ihre Nervosität nicht zu zeigen.
    »Hat er nicht«, sagte sie. Ihre Stimme klang hoch und gepresst.
    »Kommen Sie schon«, sagte Janosch. »Hervé verkauft Stoff, unter anderem an Sie. Das weiß jeder. Das können wir beweisen.«
    »Können Sie nicht.«
    Das stimmte. »Machen Sie Ihre Lage nicht noch schlimmer«, versuchte es David ein letztes Mal, aber er wusste, dass Lydia das Spiel zu gut kannte, um darauf hereinzufallen. Sie war schon öfter aufgegriffen worden. Sie würde ins Gefängnis kommen, aber ein Anwalt ihrer Eltern würde sie herauspauken gegen die Auflage, dass sie einen Entzug machte, den sie dann nie antreten würde. Bla bla bla. Immer dasselbe.
    Andererseits fanden sie vielleicht in ihrer Wohnung so viel Stoff, dass man wenigstens sie wegen Rauschgifthandels anklagen konnte. David glaubte es nicht wirklich, aber der Versuch musste gemacht

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