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Damals warst du still

Titel: Damals warst du still Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christa von Bernuth
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auch einen Druck setzen. Solange wir dabei sein dürfen.«
    »Sie blödes... Sie... Arschloch...«
    »Lydia, wir können das hier auch abkürzen. Sie sagen uns, wo der Stoff ist, und dann dürfen Sie was gegen Ihr... Unwohlsein unternehmen.«
    Lydia traten langsam die Tränen in die Augen. »Ich hab nichts da.«
    »Das glauben wir dann, wenn wir hier fertig sind. Kann natürlich dauern. Ist ja eine große Wohnung.«
    Lydia setzte sich geschlagen auf die Badewanne, zitternd und leise vor sich hin weinend. David checkte ihren Spiegelschrank, der voller verschreibungspflichtiger Medikamente, aber ansonsten drogenfrei war. Er tastete die cremefarbenen, mit geschwungenem blauem Rand verzierten Badezimmerkacheln ab, ohne eine zu finden, die so lose war, dass man darunter etwas verstecken konnte. Er zog sich Einweghandschuhe an, bückte sich unter das Waschbecken, kniete sich auf den Boden, sah unter das Klo und betastete das hintere Rohr. Alles war verdreckt und sah teilweise sogar angeschimmelt aus; der leichte, aber penetrante Gestank nach Staub und Ekelhafterem peinigte Davids Nase. Am liebsten hätte er hier überhaupt nichts angefasst. Er richtete sich wieder auf. Janosch rief nach ihm.
    »Gleich«, rief David zurück. Er nahm Lydia am Arm und fasste sie dabei fester an als unbedingt notwendig. Sie ließ sich willenlos zurück in den Flur führen und danach in den Raum, in dem Janosch gerade beschäftigt war, ein Ostzimmer, in das erste Sonnenstrahlen fielen. Janosch saß vor einem hässlichen Tisch mit einer braunen Pressspanplatte, den Lydia offensichtlich als Schreibtisch nutzte. Auf dem Tisch stand ein neu aussehendes Notebook. Janosch hatte es eingeschaltet. David ließ Lydia los und trat neben ihn. Lydia ließ sich dort, wo sie stand, einfach auf den Boden gleiten.
    David beachtete sie nicht länger. »Was ist das?«, fragte er Janosch.
    »Ich weiß noch nicht«, sagte Janosch. Er starrte auf das Farbdisplay. »Ich versuch mal, eine der Dateien zu öffnen.« Er machte sich an der Maus und der Tastatur zu schaffen. Davids Blick wanderte nach oben, vorbei an Janoschs Kopf zu einer Fotopinnwand, die Lydia über dem Tisch angebracht hatte. Lydia auf Partys inmitten rotgesichtiger Freunde, Lydia bei einer Bootsfahrt, blass und ernst, Lydia mit Hut auf einer Hochzeit neben der strahlenden Braut. Dann war da ein Bild rechts oben.
    David beugte sich vor. Ihm brach der Schweiß aus, und er spürte, wie sein Herz anfing, in einem unruhigen Stakkatorhythmus zu schlagen. Das Blut rauschte in seinen Ohren, als er das Foto abnahm, um es genauer zu betrachten.
    Es gab auch auf den zweiten Blick keinen Zweifel. Auf dem Bild befanden sich drei Personen. Eine davon war Lydia, eine Hervé und neben Hervé stand Davids vier Jahre jüngere Schwester Danae. Hervé hatte den Arm um sie gelegt, und Danae schmiegte sich an ihn, als sei das das Normalste auf der Welt. In Davids Kopf fand eine Implosion statt, das Zusammenfallen zweier Welten, die sich nie hätten berühren dürfen. David atmete tief ein und aus.
    Es musste nichts zu bedeuten haben.
    Sie standen lediglich nebeneinander.
    Danae musste ihn nicht einmal kennen.
    Der Arm um die Taille seiner Schwester – das machten viele Jungs so, wenn sie fotografiert wurden, das allein hatte nichts zu sagen. Gar nichts.
    Aber, wenn doch?
     
    »…David? David, was ist los? Hallo, jemand zu Hause bei dir?« David hob den Blick, langsam, als erwache er aus einem Traum. Janosch war aufgestanden und hatte sich vor ihn gestellt. Er hielt David an beiden Oberarmen fest und schüttelte ihn leicht.
    »Was?«, fragte David schwach.
    »Du bist ganz blass. Geht’s dir nicht gut?«
    »Doch. Alles okay.«
    »So siehst du aber nicht aus!« Janosch sah ihn besorgt an. David senkte den Blick erneut auf das Foto in seiner Hand. Es war, als wäre im Moment keine Information stark genug, den Kokon des Entsetzens aufzubrechen, der sich um ihn herum gebildet hatte. Er streckte Janosch das Bild entgegen, als würde das alles erklären. Zu spät fiel ihm ein, dass Janosch seine Schwester nicht kannte.
    »Wer ist das?«, fragte Janosch, aber im selben Moment schien ein Schatten des Begreifens sein Gesicht zu verdunkeln. »Deine...«
    David brachte kein Wort heraus. Janosch drückte ihn auf den Stuhl vor Lydias Schreibtisch und ging zu Lydia, die teilnahmslos auf dem Boden saß und sich an die Wand lehnte. Er hockte sich ihr gegenüber hin und suchte ihren unsteten Blick. »Wer ist das?«, herrschte er sie an.

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