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Damals warst du still

Titel: Damals warst du still Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christa von Bernuth
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»Ich würde ihm gerne kondolieren.«
    »Ja, die gebe ich Ihnen gleich. Jetzt müssen wir erst...«
    »Ach bitte, machen Sie das doch sofort. Es ist mir wirklich ein Anliegen, und...«
    »Frau Kayser«, sagte Mona. »Als Erstes müssen wir uns unterhalten. Dann bekommen Sie die Nummer.«
    »Ja, aber worüber denn? Sehen Sie, ich weiß doch gar nichts, ich habe meinen Bruder ja seit vielen Jahren nicht gesehen.«
    Wie sollte Mona es ihr sagen? Dass sie eventuell ebenfalls auf der Todesliste stand – wie sagte man das jemandem? Und war die Wahrscheinlichkeit denn wirklich gegeben? Die beiden hatten doch offenbar überhaupt keine Beziehung zueinander. Sie lebte ganz woanders – gut möglich, dass der Mörder von ihrer Existenz gar nichts wusste. War es also den Aufwand wert, wegen einer sehr unklaren Gefahr eine alte Frau in Angst und Schrecken zu versetzen?
    Im Moment ist sie alles, was wir haben, dachte Mona, und diese Erkenntnis war alles andere als ermutigend.
    »Ich würde Sie gerne kurz besuchen«, hörte Mona sich sagen – und gleich anschließend hörte sie Berghammer, der lamentieren würde, ob sie noch ganz richtig im Kopf sei, Steuergelder für einen Flug nach Marburg zu verplempern, nur auf einen Verdacht hin, der noch nicht einmal als vage bezeichnet werden konnte.
    »Ist das möglich?«, fragte sie trotzdem. »Kann ich heute bei Ihnen vorbeikommen? Es dauert auch nicht lange.«
    »Also, ich weiß nicht... Wir können das doch auch am Telefon besprechen, da müssen Sie doch nicht extra herkommen.«
    »Doch, das wäre schon sehr wichtig.«
    »Ich finde das völlig unnötig. Ich habe auch gar nichts im Haus. Ich kann Ihnen nichts anbieten.«
    Mona musste ein Lächeln unterdrücken. »Das ist auch gar nicht nötig«, sagte sie.
    »Na schön.« Begeistert klang die alte Frau nicht. Hatte sie überhaupt verstanden, dass Mona von der Mordkommission kam?
    »Gut. Ich komme heute Nachmittag zu Ihnen. Passt Ihnen das?«
    »Na ja. Ich bin ja sowieso da.«
    Heute Nachmittag. Das war nicht mehr lange hin. Sollte Mona sie trotzdem warnen? Ihr einschärfen, niemanden hereinzulassen? Sie ließ es sein.
    Der Verdacht war so unbestimmt. Es lohnte sich nicht.
    Aber warum fuhr sie dann überhaupt hin?
    »Dann sehen wir uns heute Nachmittag«, sagte Mona und beließ es dabei, obwohl da etwas in ihr war, das... Aber sie glaubte im Grunde nicht an Intuition. Intuition brachte man immer nur ins Spiel, wenn man nicht weiterwusste.
    Und sie wussten nicht weiter.
    Berghammer. Sie musste ihm Bescheid geben. Und sich dann von Lucia, seiner Sekretärin einen Flug buchen lassen.
    Und sie mussten Plessen erneut vorladen. Spätestens heute Abend, wenn sie mehr wusste.

23
    Mittwoch, 23. 7., 12.10 Uhr
    »Ich möchte, dass du dich bei deinen Eltern bedankst«, sagte Fabian. Das hatte er gestern auch zu Sabine gesagt: Dass Kinder ihren Eltern dankbar sein müssten – egal, ob sie unter ihnen gelitten hatten oder nicht. David verstand diese Maxime nicht – seiner Ansicht nach gab es furchtbare Eltern, die sich an ihren Kindern schuldig gemacht hatten und die alles andere verdienten als Dank.
    »Ich kann nicht«, weinte Helmut. David betrachtete ihn voller Verachtung: das dicke, fleckige Gesicht, das fettige Haar, die ungeschickten, plumpen Bewegungen. Helmut war der geborene Verlierer.
    Serienmörder waren oft Verlierer. Oder sogar fast immer. In sexueller, sozialer, beruflicher Hinsicht. Das lernte man bereits auf der Polizeischule.
    Die Luft war feucht und stickig wie in einem tropischen Land, es stank nach Schweißfüßen, und David wünschte sich weit weg von hier. Dies war erst der zweite Tag, er hatte noch mehr als die Hälfte der Zeit vor sich, und heute Nachmittag war er dran, seine Familie aufzustellen. Was würde Fabian mit ihm machen? Davids Herz begann zu klopfen, sein Adrenalinspiegel stieg, er fühlte sich wie kurz vor einem gefährlichen Zugriff. Er versuchte, ruhig und regelmäßig in den Bauch zu atmen, ein Trick aus dem Antistress-Training. Es gab keinen Grund zur Aufregung, er war ja glücklicherweise kein Schwächling voller Komplexe wie Helmut. Und er würde sich natürlich hüten, Fabian Futter zu geben für seine seltsamen Theorien über Eltern, Geschwister und Kinder. Andererseits konnte er auch nicht so tun, als sei alles prima zwischen ihm und seiner Familie, denn warum wäre er denn dann hier?
    Er musste etwas erfinden. Irgendein Problem, das ihn nicht wirklich betraf, und er musste glaubwürdig dabei sein. Wenn

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