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Damaskus im Herzen.. - und Deutschland im Blick

Titel: Damaskus im Herzen.. - und Deutschland im Blick Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl Hanser Verlag
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annahm und zeigte, wie er ihnen gewachsen war. Und immer wenn sich der Islam repressiv nach innen zeigte, wenn er zum Kleinkrämer wurde und die Glocken der Kirche verbot, weil er damit Wirtschaftskrisen überwinden wollte, war das eine Zeit des Niedergangs, der Zerstörung. Und gerade das entspricht eigentlich dem Konzept der Islamisten. Demagogisch und rassistisch erweisen sich diese gegenüber anderen Minderheiten,in wirtschaftlichen und sozialen Belangen gehen sie planlos vor, in allen Fragen des Islam sind sie oberflächlich und repressiv nach innen.
    – Als Bauernsohn der Abstammung nach und Städter, der ich von Geburt an war, pendelte ich in Gesprächen zwischen beiden Polen hin und her.
    Ich hatte das Glück oder Unglück, das Dorf Malula zu erleben, als es noch autark in den Bergen existierte, und die Stadt Damaskus, als sie noch eine Perle der Städte war. Heute sind das eine wie die andere in ihrer Einzigartigkeit vom westlichen Konsum niedergewalzt worden.
    Nicht selten befiel mich die Sorge, ich könnte nirgends hingehören. Im Dorf war ich für viele der Städter, und in der Stadt war ich wegen der Herkunft meiner Eltern ein Dorfjunge. Erst später gelang mir die Harmonisierung dieser Beziehung zwischen dem Ort, an dem ich mich befand, und der Zugehörigkeit, die jeweils von anderen an mich herangetragen wurde, aber meine ganze Kindheit und Jugend lang herrschte Dissonanz.
    – Als fremdes Kind in einem libanesischen Kloster sprach ich in einer bedrückenden Einsamkeit mit wenigen zuverlässigen Gleichgesinnten, mit vielen Weltautoren und vor allem mit mir selbst.
    Hier entdeckte ich die Grenzen der christlichen Nächstenliebe. Wir waren eine winzige Minderheit von Kindern aus mehreren arabischen Ländern unter Hunderten von libanesischen Kindern. Die Leitung war streng und die Kontrolle des Verhaltens total. Es blieb nur ein einziger sicherer Ort: die Einsamkeit. Es war der einzige Ort, wo ich ich selbst war. Hier entwickelte ich eine Sucht nach Büchern. Die Einsamkeit, die Härte und die Angst wurden von Tag zu Tag größer und mündeten schließlich in eine lebensgefährliche Meningitis.Nur der Zufall rettete damals mein Leben. Und heute, vierzig Jahre später, kann ich immer noch nicht gelassen über diese Zeit sprechen. Unzählig sind die gescheiterten Versuche.
    – Als junger Mann sprach ich mit Männern und vor allem mit Frauen. Was für ein unverdientes Glück. Ich musste als Araber nicht erst nach Europa kommen, um die Achtung vor Frauen zu lernen, wie sich das manche Neokolonialisten einbilden und anderen weismachen wollen. Ich hatte das Glück, eine witzige Mutter und mehrere starke Frauen in der Nachbarschaft zu erleben, die mir ganz überzeugend zeigten, wie Frauen leise und elegant etwas erledigen, wofür Männer Sitzungen, Kraftakte, Trost und nicht selten doch die Hilfe ihrer Frauen brauchen. Meine Mutter brachte mir nicht die Liebe zu den Frauen bei, sondern den Respekt vor ihnen. Genau das würde ich auch vielen Männern wünschen, die so sehr die Frauen lieben, aber keine Ahnung von ihnen haben.
    – Als Mitglied einer winzigen Gruppe des politischen Untergrunds sprach ich mit vielen Anhängern der unterschiedlichsten Oppositionsgruppen in einem diktatorisch regierten Land und mit der Mehrheit der Bevölkerung aus Resignierten, Gleichgültigen, Opportunisten und Anhängern des Regimes.
    Die Abhängigkeit der Opposition von schlecht kopierten europäischen Ideen übertraf die des jeweiligen Herrschers. Klug waren weder der Herrscher noch seine Opposition. Die Herrscher in Arabien wussten ihre mindere Intelligenz mit ihrer Gewaltmaschinerie auszugleichen. Mit ihrer Hilfe konnten sie länger herrschen, als sie jemals hoffen durften, demokratisch zu regieren. Dennoch hatte ihre geistige Beschränktheit neben allen Übeln auch eine positive Seite: Die Herrscher konnten die westliche Zivilisation nicht nachahmen, denn das hieße Demokratie und Freiheit gedeihen lassen. Unbeholfenoszillierten sie zwischen naiver Nostalgie, momentaner Eingebung und dem tatsächlich vorhandenen Zwang der ökonomischen Abhängigkeit vom Westen.
    Die Opposition ihrerseits machte mit der Nachahmung der westlichen Zivilisation ernst. Gestützt auf intelligente Mitglieder, übersetzte sie teils gut, teils fürchterlich schlecht europäische Ideologien und stülpte das Ganze dem arabischen Sein über. Das Kleid saß nicht, und durch Strecken, Stützen und Umnähen wurde es zu einem einzigen löchrigen Lappen und

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