Damaskus im Herzen.. - und Deutschland im Blick
Scham. Ich schämte mich, einer Menschheit anzugehören, die sich mit der Gewalt der Waffen verständigt.
Heute, bei diesem Krieg gegen den Irak, stellt sich bei mir neben Angst und Wut zum ersten Mal in meinem Leben ein neues Gefühl ein, ein Gefühl, das mich beglückt. Zum ersten Mal in der Geschichte der Menschheit verbinden sich Kriegsgegner zu einer weltweiten Demonstration.
In diesen Demonstrationen erkenne ich neben dem Willen zum Frieden noch etwas anderes: Es ist der fast jugendliche, leichtherzige Glaube, man könne einen Diktator stürzen und ein Imperium bei seiner strategischen Planung hindern, wenn man friedlich auf der Straße demonstriert.
Doch dieser scheinbar blauäugige Glaube ist beim genaueren Betrachten das einzig vernünftige zivile Gebot der Stunde. Es handelt sich also um ein neues, sich weltweit bildendes Bewusstsein einer Zivilgesellschaft und nicht um Leichtsinn und Blauäugigkeit, wie die Kriegswilligen uns weismachen wollen. Es sind vorwiegend Jugendliche in den ersten Reihen, weil sie zu allem sich Erneuernden ein inniges Verhältnis haben. Jung sein heißt ja in Bewegung bleiben. Viele Stehengebliebene verwechseln die eigene Trägheit mit Vernunft. Aber nicht die Jahre, die man hinter sich bringt, machen einen alt, sondern allein die Zahl der Träume, die man aufgibt.
Beim Anblick der Demonstranten versöhne ich mich mitder Menschheit und denke, es lohnt sich schon, ein Tropfen auf dem heißen Stein zu sein, denn auch der reißende Fluss besteht am Ende nur aus vielen Tropfen.
Zum Schluss möchte ich euch eine einzige Kübelpflanze in euren Garten stellen. Einen kleinen Olivenbaum, als Zeichen für den Frieden. Seit Picasso die streitsüchtige Taube zu einem Friedenssymbol erhoben hat, leben wir mit einem Missverständnis. Der Ölzweig und nicht die Taube war das biblische Zeichen für den Frieden, so wie ein Flugzeug niemals ein Friedenssymbol sein kann, bloß weil es eine Friedensdelegation zur Verhandlung transportiert hat.
Die Taube ist sehr kriegerisch, der Olivenbaum niemals. Um ihn vor Kälte zu schützen, müsst ihr ihn im Winter ins Haus nehmen, ihm sozusagen Asyl gewähren.
Liebe Jugend, das ist also euer Garten, und ich wünsche euch lebenslange Neugier, Zeit und Ruhe, um immer wieder den Eingang zu diesem Garten zu finden und einige seiner Geheimnisse zu entdecken.
Ich danke euch fürs Zuhören.
Eine kritische Bemerkung sei hier gewürdigt. Bärbel Malmberg, eine treue Leserin meiner Literatur, schrieb mir, der Garten wäre noch schöner gewesen, wenn ich der Jugend auch eine Fläche gelassen hätte, auf der sie hätte experimentieren können.
Sie hat Recht, deshalb soll diese Bemerkung bei jeder weiteren Veröffentlichung an die freie Fläche erinnern – und ebenso daran, wie unerfahren ich als Gärtner bin.
FERNE, NAHE KOLLEGEN …
Ich muss mein Exil, diese dressierte Bestie, loben, denn meine Romane hätte ich niemals in meiner Heimat schreiben können, und auch die vielen Preise, Ehrungen und Liebeserklärungen, die mir das Exil in Deutschland brachte, zwingen mich dazu.
Eine dieser Ehrungen kam vom Hanser Verlag, ich sollte für die Jugend ein Buch über Goethe schreiben.
Man muss sich diese Ehre wie Schokolade auf der Zunge zergehen lassen, da Goethe für die Deutschen, gäbe es Literaturgötter, ein Gott wäre. Und Hanser beauftragt von Goethes Geist geleitet einen Ausländer mit dieser Aufgabe. Es ist der erste Roman über Goethe in der deutschen Literaturgeschichte, der von einem Ausländer in deutscher Sprache für den Buchmarkt geschrieben wurde.
Im Herbst 1999 wurde ich zum 250. Geburtstagsfest im Goethehaus nach Weimar eingeladen, wo ich drei Tage lang mitfeierte und über Goethe und den Orient referierte.
VON DER FLUCHT
EINES PROPHETEN
Zu Goethes Liebeserklärung
an den Orient
O ft bleiben die Gründe für die Entwicklung eines Kunstwerks im Verborgenen, und je mehr Schichten der Boden enthält, aus dem das Kunstwerk hervorgeht, umso schwerer ist zu bestimmen, welche Schicht den größten Einfluss auf die Entstehung hatte. Monokausale Werke werden selten zu Kunst.
Der West-östliche Divan , mein Favorit unter den lyrischen Werken des größten Meisters deutscher Zunge, ist ein vielschichtiges Kunstwerk. Es ist eine der größten Liebeserklärungen, die je ein Europäer dem Orient gemacht hat. Ein Kuriosum nebenbei: In arabischer Schrift steht auf dem Titel der ersten Ausgabe von 1819 nicht West-östlicher Divan
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