Damenschneider
dachte nur, das würde Sie vielleicht interessieren.«
»Und warum hat er das gemacht?«
Er redete so undeutlich, dass Walz unwillkürlich näher an sein Bett trat.
»Wie wir angenommen haben: wegen des Fotos, das er von Ihrem Unfall machte.«
»So ein Schwein!«, fluchte Reif leise.
»Und wie ist er?«, fuhr er nach einer längeren Pause fort. »Ist er jung oder alt? Österreicher? Ausländer? Hat er Familie?«
Mit Ausnahme seiner Identität erzählte Walz ihm alles, was er über dessen Peiniger wusste.
»Danke, Herr Inspektor. Entschuldigen Sie bitte, aber ich bin heute überhaupt nicht gut drauf.«
»Ist Herr Bilovic nicht da?«, fragte Walz, der sich sogleich der Unangebrachtheit seiner Frage bewusst wurde.
»Nein, Bojan ist anscheinend krank oder so etwas. Eigentlich müsste er heute da sein. Gestern noch hat er gesagt, er käme heute vorbei.«
Nach einer Pause des Schweigens, deren Länge Walz schon peinlich zu werden begann, verabschiedete er sich schließlich.
Draußen ging er zum Schwesternzimmer, wo eine ältere Krankenpflegerin, deren Namensschild sie als »Schwester Helga« auswies, ihm auf sein Klopfen hin öffnete.
Nachdem er seinen Dienstausweis gezeigt hatte, fragte er sie nach dem Verbleib des Krankenpflegers.
»Herr Bilovic hätte heute eigentlich Dienst gehabt, aber er ist bis jetzt nicht gekommen. Er hat sich auch nicht krank gemeldet und geht auch nicht ans Telefon. Ziemlich merkwürdig das Ganze. Ist etwas passiert?«
»Was soll passiert sein?«, fragte Walz verständnislos.
»Na, Sie sind doch von der Polizei …«
»Ach so, nein, ich bin nur wegen Andreas Reif hier.«
»Schreckliche Geschichte. Der leidet übrigens am meisten darunter, dass Bojan heute nicht da ist. Da hat sich ein richtiges Vater-Sohn-Verhältnis aufgebaut. Andreas ist völlig anders, wenn er hier ist. Bojan kümmert sich aber auch ganz besonders um ihn.«
»Kam das schon öfter vor, dass Herr Bilovic unentschuldigt fehlte?«
»Nein, eigentlich ist er ein sehr zuverlässiger Kollege. Vor allem hochqualifiziert, na ja, eigentlich überqualifiziert, wenn Sie mich fragen«, unvermittelt senkte die resche Person ihre Stimme. »Wie man so hört, soll er in seiner Heimat Medizin studiert und sogar praktiziert haben. Da kursieren ja die seltsamsten Geschichten über ihn.«
»Ach so?«, fragte Walz interessiert. »Wenn Sie einen Moment Zeit für mich haben, könnten wir uns ja drunten in der Cafeteria unterhalten, ich bräuchte eh einen Kaffee …«
»Nein, das geht leider nicht. Es ist uns nicht erlaubt, während der Dienstzeit die Station zu verlassen. Wir können aber ins Sprechzimmer gehen, dort sind wir ungestört und einen Kaffee kann ich uns aus der Teeküche holen.«
»Gerne«, antwortete Walz, auch wenn ihn die Aussicht auf einen Filterkaffee nicht gerade begeisterte.
»Also, was erzählt man sich denn so über Herrn Bilovic?«, fragte Walz endlich, nachdem sie in einem kleinen und mit Ausnahme einiger willkürlich an den Wänden drapierten Kinderzeichnungen kahlen Raum neben dem Schwesternzimmer an einem weißen Resopaltisch Platz genommen hatten.
»Warum interessiert sich die Polizei denn überhaupt für ihn? Hat er was angestellt?«, fragte Schwester Helga neugierig, während sie Kaffee aus einer Thermoskanne in die mitgebrachten Tassen goss.
»Das wissen wir noch nicht«, sagte Walz kryptisch. »Wir gehen lediglich einigen Behauptungen nach …«
»Na ja, wenn von den Gerüchten, die über ihn kursieren, auch nur die Hälfte stimmt, haben Sie auch allen Grund dazu …«
»Erzählen Sie«, flüsterte Walz, sich zur ihr hinüberbeugend.
»Aber nur, wenn Sie mich nicht verraten«, gab sie mit Verschwörermiene zurück.
»Da können Sie ganz beruhigt sein«, sagte der Inspektor mit seinem schönsten Schwiegersohn-Lächeln, »Informanten von Gerüchten werden niemals in den Zeugenstand gerufen.«
»Steht es schon so schlimm um ihn?«, fragte Helga mit sensationslüsterner Miene. »Hängt vielleicht auch sein heutiges Fehlen damit zusammen?«
»Das könnte schon sein … Also, was brodelt in der Gerüchteküche?«
»Wie Ihnen Bojan vielleicht erzählt hat«, sagte sie eifrig, während sie sich zum ihm herüberbeugte, »daraus macht er ja wirklich kein Geheimnis, hat er sich schon in Serbien einen Namen als virtuoser Chirurg gemacht. Man behauptet sogar, dass er mit den damaligen Machthabern unter einer Decke steckte und ihnen auch heute noch gelegentlich zu Diensten ist.«
»Wie soll
Weitere Kostenlose Bücher