Damian
Albtraum, der sich so real anfühlte, die unerklärlichen Ohnmachtsanfälle und vor allem all die ungewohnten Gefühle, die sie durchfluten, wenn sie mit Damian zusammen ist. Noch nie hat sie ihren Empfindungen so viel Bedeutung beigemessen. Aber mit Damian ist alles anders. Er weckt in ihr nicht nur Gefühle, mit denen sie kaum umgehen kann, er zieht sie auch magisch an, wie das Licht die Motten. Sie ist ihm regelrecht verfallen und diese Erkenntnis schockiert sie. Ein Blick von ihm und ihr ist, als würde sie ihr tiefstes Innerstes vor ihm entblößen. Eine Berührung von ihm und sie fühlt sich, als wäre sie eine einzige lodernde Flamme. Wenn er von seinem Ägypten erzählt, dann nimmt er sie mit auf eine Reise, sie sieht Bilder vor ihren Augen von Zeiten, die längst Vergangenheit sind und doch sind sie so unglaublich lebendig. Das ist verrückt, unreal und vollkommen unerklärbar. Warum ist das so? Irgendetwas stimmt nicht mit ihr. Vielleicht ist sie krank. Vielleicht hat er sie bereits angesteckt. Sie ist so naiv! Wenn sie miteinander schlafen, dann vergisst sie alles um sich herum. Ihr sonst so klar denkender Verstand ist praktisch ausgeschaltet. Sie hat noch nicht einmal darauf geachtet, zu verhüten. Du meine Güte, wie kann ein Mensch nur so den Kopf verlieren?! Sie vertraut Damian praktisch blind. Sollte sie nicht aus dem, was sie früher erlebt hat, endlich gelernt haben? Rachel sitzt immer noch auf dem Bett und grübelt, als es an der Tür klopft.
„Ja, bitte.“ Mrs. Handerson betritt mit einem Tablett das Zimmer.
„Mr. Cunningham lässt ihnen mit dem größten Bedauern ausrichten, dass er Ihnen beim Essen nicht Gesellschaft leisten kann. Ich bringe Ihnen daher Ihr Abendessen auf das Zimmer.“ Sie stellt das Tablett auf den Tisch bei der Sitzgruppe. Dann wendet sie sich noch einmal Rachel zu. Ihr Gesicht sieht sorgenvoll aus.
„Mr. Cunningham bat mich ihnen noch etwas auszurichten.“ Rachel schaut sie erwartungsvoll aus großen Augen an. „Es täte ihm ausgesprochen leid, dass Sie ihn während einer seiner Anfälle gesehen haben. Er bittet sie um Verzeihung und wird Ihnen bei nächster Gelegenheit alles erklären. Für heute bittet er sie jedoch eindringlich das Zimmer nicht zu verlassen und ihm Zeit zur Genesung zu geben.“ Mrs. Handerson dreht sich um und schickt sich an das Zimmer zu verlassen.
„Wie geht es ihm?“, platzt es aus Rachel heraus und bei einem flüchtigen Blick auf die Uhr auf ihrem Nachttisch bemerkt sie, dass sie bereits seit einer Stunde das Zimmer nicht verlassen hat.
„Besser“, ist alles, was die Haushälterin preisgibt, bevor sie Rachel noch einen guten Appetit wünscht und dann schließlich die Tür wieder hinter sich verschließt.
Rachel ist hin- und hergerissen zwischen der unmissverständlichen Anordnung Damians auf dem Zimmer zu bleiben und ihrer Neugier und Sorge um ihn. Was ist schon dabei, nach ihm zu sehen? Sie wird einfach hinunter gehen und einen Blick auf ihn werfen. Und wenn sie sich davon überzeugt hat, dass es ihm besser geht, kann sie immer noch zurück auf ihr Zimmer gehen und warten, bis Damian ihr endlich erklärt, was mit ihm los ist. Sie wartet einen Augenblick und lauscht. Absolute Stille. Dann schleicht sie zur Tür und lauscht erneut. Nichts. Vorsichtig legt sie die Hand auf den Türknauf und dreht ihn. Schließlich öffnet sie die Tür einen winzigen Spalt und späht hinaus. Es ist niemand zu sehen. Sie streift die Schuhe von ihren Füßen und läuft barfuß zum Treppenansatz. Dabei tritt sie auf eine Diele, die ein knarzendes Geräusch von sich gibt. Sofort bleibt Rachel stehen und presst sich an die Wand. Ihr Herz hämmert gegen ihre Brust und sie hält vor Aufregung die Luft an. Angestrengt lauscht sie. Nichts. Sie hört keine Schritte, keine Stimmen, absolut gar nichts. Jetzt wagt sie es auch wieder die angehaltene Luft aus ihren Lungen zu entlassen. Sie späht die Treppe hinab. Unten im Flur brennt nur eine einzige Lampe. Weder von Damian noch von Mrs. Handerson ist irgendetwas zu sehen oder zu hören. Auf Zehenspitzen schleicht sie die Treppe hinab und bemerkt fast beiläufig, wie weich sich der Teppich auf den Stufen tatsächlich anfühlt. Unten in der Eingangshalle bleibt sie auf dem letzten Treppenabsatz erneut stehen. Sie sieht sich um und als sie sicher ist, dass die Luft rein ist, trippelt sie auf leisen Sohlen zur Tür des Arbeitszimmers. Vorsichtig legt sie ihre Hände auf das massive Holz, um dann den Kopf zu neigen und
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