Damian
Dieser drohende Krieg, von dem der Priester berichtete, war nur eine Falle gewesen, um ihn aus dem Palast, weg von seinen Leibwächtern, zu locken. Die Priester gaben dann den Befehl ihn zu töten, denn sie hatten sich mit Meritamun verbündet. Nach dem Tod meines Vaters war sie nun die unangefochtene Königin und einer der Priester wurde von ihr zum Mann und somit zum Pharao gewählt. Sie suchte nach mir, Jahre, vielleicht Jahrzehnte, aber Enfu, die Hebamme, beschützte mich und kümmerte sich wie eine Mutter um mich.“
Damian macht erneut eine Pause.
„Wie ging es weiter? Ich meine, wie ist es dazu gekommen, dass Du…also ich meine…“
„Meine Verwandlung zum Vampir?“ Rachel nickt zaghaft und in Damian keimt ein winziges Fünkchen Hoffnung, dass sie ihn vielleicht, irgendwann einmal, doch akzeptieren könnte.
„Du solltest Dich setzen, hier auf das Sofa.“ Sofort spannt sich Rachel wieder an und schaut ihn wie ein verängstigtes Reh aus großen Augen an. „Ich werde Dir nichts tun, Rachel. Bitte, setz Dich zu mir. Du brauchst keine Angst vor mir haben. Bitte!“ Zögernd geht Rachel einige Schritte auf ihn zu. Jetzt ist es Damian, der gespannt in seinem Sessel sitzt und beobachtet wie weit sie sich wagt, ihm nahe zu kommen. Schließlich setzt sie sich auf das Sofa, natürlich in die Ecke des Polsters, die am weitesten von ihm entfernt ist.
„Ich wuchs heran. Meine Mutter hatte Vorsorge getroffen. Sie hatte Enfu Schmuck und Gold gegeben, um mein Überleben zu sichern, sollte dem Pharao etwas zustoßen. Sie beschwor Enfu zurückzukehren, wenn der Pharao wieder im Palast wäre, um ihm dann seinen Sohn und rechtmäßigen Erben präsentieren zu können. Aber dazu kam es nun leider nicht mehr, denn mein Vater war tot. Enfu wurde auf ihrer Flucht vor der Königin von einem Sklaven begleitet und beschützt. Meine Mutter wusste, dass die beiden eine zarte Liebe verband und so reisten sie mit mir als Baby zunächst in das Dorf von Enfus Schwester. Dort lebten wir wie eine Familie. Enfu und Amadir heirateten und gaben mich als ihr Kind aus. Sie wurden Bauern, wie alle anderen im Dorf, bestellten die Felder und lebten das Leben, das der Nil ihnen vorgab. Sie waren arm, obwohl sie immer noch den Schmuck und das Gold meiner Mutter besaßen. Ich wuchs heran und durfte beim Dorfpriester in die Schule gehen. Ich war nicht unbegabt, und so versuchte ich so viel wie möglich zu lernen: die Schriftzeichen, das Lesen der Sterne, die Mathematik. Ich half beim Häuserbau, wenn der Nil wieder einmal durch eine Flut alles mitgerissen hatte. Ich war ehrgeizig und wissbegierig und so nahm Enfu das Gold meiner Mutter, um mich nach Theben, zu den Gelehrten, zu schicken. Dort lernte ich die Architektur, die Bildhauerei und die Malerei und führte als junger Mann ein sorgenfreies Leben.“
Plötzlich legt sich ein Schatten über Damians Gesicht. Er senkt den Blick und sekundenlang herrscht absolute Stille im Zimmer.
„Was geschah dann?“, will Rachel neugierig wissen und ihr ist absolut klar, dass nun der grausamste Teil seiner Geschichte naht. Sie hat inzwischen die Beine angezogen und ihre Arme darum geschlungen. Sie blickt ihn neugierig und gespannt zugleich an. Angst kann Damian jedoch nicht mehr in ihren Augen erkennen. Sollte sie wirklich Vertrauen zu ihm fassen können?
„Meine Zieheltern liebten mich wie ihren eigenen Sohn. Sie waren stolz auf mich und förderten mich, wo immer es ihnen möglich war. Sie haben nie erwähnt, wer ich wirklich bin. Ich vermute sie hatten Angst mich zu verlieren. Beide sind kurz hintereinander, während einer schlimmen Epidemie, an Cholera gestorben. Und so habe ich nie erfahren, dass ich der Sohn eines Pharaos bin.“
Damian macht eine kurze Pause und betrachtet Rachel aufmerksam. Sie fröstelt.
„Du frierst. Soll ich Dir eine Decke holen?“ Rachel schaut auf und in sein Gesicht. Sie sucht nach seiner Andersartigkeit, kann aber nichts erkennen. Er sieht so aus wie immer, keine blutunterlaufenen, schwarzen Augen, keine Reißzähne. Es ist Damian, so wie sie sich in ihn verliebt hat, in seine mysteriösen, dunklen Augen, sein ebenmäßiges Gesicht, seine fein geschwungenen Lippen und seine sanfte Stimme. Mein Gott, wie sehr kann man sich von dem Äußeren eines Menschen täuschen lassen, denkt sie.
„Rachel?“ Sie schüttelt vehement den Kopf und lehnt sein Angebot ab. Damian atmet ein paar Mal tief ein und aus, wissend, dass sie ihn genauestens betrachtet.
„Ich arbeitete
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