Damian
Sonne ist bereits unter gegangen und nur noch die aller letzten gebrochenen Sonnenstrahlen tauchen den Horizont in ein dunkelrotes bis violettes Farbenspiel. Rachel steht am Geländer und hat ihm den Rücken zugedreht. Sie atmet schwer, ihre schmalen Hände umklammern das Geländer so fest, dass ihre Knöchel weiß unter der Haut hervortreten.
„Es ist alles gut, Rachel. Es ist normal, dass Du Dich fürchtest.“ Natürlich hat er gespürt, wie erschrocken sie war, als sie feststellen musste, das sie den Duft des Blutes appetitlich fand. Und wie entsetzt sie war, als ihr Körper sofort darauf reagierte, in dem ihre Vampirzähne sich durch ihren Kiefer bohrten.
„Nichts ist gut!“, giftet sie ihn an. „Und bitte, erspare mir Deine gut gemeinten Ratschläge!“ Es sind nicht ihre Worte, die Damian verletzen, es ist die eisige Kälte, mit der sie sie ihm entgegen schleudert.
„Rachel, bitte, so geht es nicht weiter. Bitte lass mich Dir helfen. Wenn Du durstig bist“, sie weiß genau welchen Durst er meint, er braucht dieses verdammte Wort nicht auch noch so deutlich betonen, „dann gebe ich Dir, was Du brauchst.“ Seine Stimme ist wie eine intime Berührung und Rachels Körper reagiert sofort darauf. Ein warmes Kribbeln breitet sich von der Mitte ihres Körpers explosionsartig aus und sie spürt, wie sie die Vorstellung sein Blut zu trinken, erregt. Fast gleichzeitig regt sich aber auch ihr Verstand, der diese Vorstellung angewidert versucht zu verdrängen. „Du darfst Dich nicht gegen Deine Bedürfnisse wehren. Ich werde Dir zeigen, wie Du….“ Damian ist einige Schritte auf sie zugegangen und steht nun nah hinter ihr.
„Bitte, lass mich allein!“, flüstert Rachel und fühlt sich plötzlich furchtbar erschöpft.
„Du musst etwas trinken. Ich spüre, wie Dein Magen sich krampft und Dein Körper danach verlangt.“ Nach einer kleinen Pause fügt Damian hinzu: „Vertrau mir Rachel, ich werde Dir helfen.“ Wutentbrannt schleudert Rachel zu ihm herum.
„Ich will Deine Hilfe nicht! Verstehst Du nicht. Ich ertrage Dich nicht. Bitte lass mich endlich in Ruhe. Ich will Deine Fürsorge nicht, Dein Mitleid oder Deine Liebe. Ich will einfach nur in Ruhe gelassen werden.“ Sie stürmt an ihm vorbei, zurück ins Haus und hinauf in ihr Zimmer. Damian bleibt weiter auf der Terrasse stehen, enttäuscht und verletzt. Traurig und allein. Wie kann er nur wieder einen Weg zu ihr finden? Was kann er tun, damit sie ihm wieder vertraut? Wie können Sie eine zweite Chance für ihre Liebe finden?
„Du musst ihr Zeit lassen“, hört er hinter sich Lucas Stimme.
„Sie quält sich. Ich kann sie nicht so leiden sehen“, erwidert Damian mit kraftloser Stimme.
„Sie wird damit klar kommen, sie braucht nur ein wenig mehr Zeit. Sie ist ein kluges Mädchen, sie wird irgendwann akzeptieren, dass sie ein Vampir ist.“
„Und bis dahin, wird sie mich hassen und verachten“, kommentiert Damian sarkastisch den Versuch seines Freundes ihn aufzumuntern.
„Ja, aber damit kommst Du schon klar“, grinst Luca vor sich hin. Damian dreht sich zu seinem Freund. Sein Gesicht ist ernst, seine Augen von einem dunklen Mokkabraun, unlesbar und mysteriös.
„Luca, ich habe Angst sie zu verlieren.“ Damians Stimme ist so leise, dass Luca seine Lippen lesen muss um zu verstehen, was er eben gesagt hat. Damian ist ein mächtiger und sehr alter Vampir. Auch Luca war davon überrascht worden, wie alt sein Freund tatsächlich ist. Er kennt niemanden, oder besser, weiß von niemandem außer Leylha, der älter ist. Nie würde ein Vampir, so stolz und mächtig wie Damian vor einem anderen Vampir eine Schwäche zeigen oder gar seine Ängste eingestehen. Luca ist fassungslos und ein wenig blass geworden, als er Damians verzweifeltes Bekenntnis hört.
„Mach Dir keine Sorgen, mein Freund. Das wird nicht geschehen. Ihr gehört zusammen. Jeder sieht es, jeder weiß es.“
„Ja, alle außer Rachel“, entgegnet Damian leise und geht mit gesenktem Kopf an seinem Freund vorbei, zurück in das Haus, in dem er vermutlich den schlimmsten Fehler seines Lebens begangen hat.
Rachel ist gereizt, fahrig und ihr ist hundeübel. Ihre Hände zittern und ihr ganzer Körper klebt schweißnass. So muss sich ein verdammter Junkie fühlen, der seinen nächsten Druck braucht, denkt sie wütend und wäre nur allzu bereit irgendjemanden für ihren erbärmlichen Zustand büßen zu lassen. Damian steht da natürlich an erster Stelle.
Es klopft.
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