Damiano
Herr?«
Damiano mußte lachen über ihre Gier, aber es ging ihm selbst nicht viel anders. In erster Linie jedoch lockte ihn der Gedanke an ein warmes Feuer. Er fröstelte trotz seiner wollenen Gewänder und seines pelzgefütterten Mantels.
»Vielleicht sind es Soldaten von Pardos Heer«, sagte er unsicher, doch noch während er noch die Worte sprach, tat er schon die ersten Schritte dem Licht entgegen.
»Nein, keine Soldaten«, entgegnete Macchiata mit Bestimmtheit. »Sie riechen nicht wie Soldaten.«
Damiano stellte ihre Behauptung nicht in Frage. Er folgte der Hündin den Hang hinauf. Bald waren sie dem Licht so nahe, daß Damiano die steinerne Hütte erkennen konnte, die die Stelle markierte, wo die Straßen nach Norden und nach Westen sich trafen. Zur Zeit seines Großvaters, ehe das Haus Savoyen für die Sicherheit des Landes gesorgt hatte, hatte hier ein Posten Wache gestanden. Später war die Hütte eine Zufluchtsstätte für Reisende geworden. Jetzt würde der neue Herrscher von Piemont das Wachhäuschen vielleicht wieder öffnen, zumindest so lange, bis Amadeus VI. ihn verjagte.
Damiano trat näher und klopfte sich dabei so leise wie möglich den Schnee von den Kleidern.
Zwei Fenster blickten auf die Straße nach Norden hinaus. Das eine war dunkel, gegen die Kälte mit Lumpen und Zweigen dicht verhangen. Das andere war kleiner und hatte Scheiben aus Kuhhorn. Und durch dieses Fenster gleißte das Licht.
Damiano blieb im bernsteingelben Schein stehen und umfaßte seinen Stab mit beiden Händen.
»Mirabile! Videamus«, flüsterte er. »Wir wollen sehen.«
Und er sah drei Männer, so wie Macchiata es vorausgesagt hatte. Sie waren alle etwa in seinem Alter, und es waren keine Soldaten. Sie trugen modische Kleidung, wenn diese auch recht mitgenommen und verschmutzt war. An ihren Gürteln hingen die edelsteinbesetzten schlanken Dolche junger Draufgänger, doch alle drei trugen auch die Tonsur des Geistlichen. Damiano lächelte, als er mit Latein vermischtes Französisch hörte; die Sprache der Studenten. Damiano sprach selbst ganz passabel französisch.
Der Stab vibrierte in seiner Hand – eine Warnung seiner Instinkte an ihn. Besser vorsichtig sein. Die drei waren keine Poverelli di Francesco, das war klar, auch wenn sie Tonsur trugen. Seit der Heilige Vater nach Avignon gezogen war, schien sich die ganze Provence den Stil der Kirche zu eigen gemacht zu haben, Heilige wie Sünder. Und diese Burschen hatten getrunken.
Aber sie waren Studenten, und was war Damiano anderes? Die Bruderschaft der Studenten war so eng geknüpft wie jede in einem Kloster, und unterhaltsamer noch dazu. Damiano klopfte mit seiner verstauchten rechten Hand an die Holztür, während Macchiata auf ihre einschmeichelndste Art winselte.
»Qui?« rief eine Stimme, nachdem zunächst einen Moment lang Stille eingetreten war. Dann in gebrochenem Italienisch: »Wer da?«
»Nur ein reisender Student«, antwortete Damiano auf lateinisch. »Mit seinem Hund.«
Wieder trat Schweigen ein, dann erklangen Schritte, und die Tür wurde geöffnet. Damiano bot sich das Bild, das er dank seiner Kunst schon vorausgesehen hatte. Drei Männer, ein rauchender Kamin und eine Blechlampe, die auf einem mit Nahrungsmitteln bedeckten Tisch stand. Damiano starrte wortlos auf den verheißungsvollen Anblick.
»Dann tretet ein und seid willkommen«, forderte der junge Mann auf, der die Tür geöffnet hatte.
Er war ein mondgesichtiger, vierschrötiger Bursche, dessen Haar trotz seiner Jugend schon schütter wurde. Die beiden anderen betrachteten Damiano von ihren Plätzen am Tisch aus. Der eine war dunkel und stämmig, der andere ein Flachskopf mit einem langen Gesicht. Dieser letzte hielt auf höchst besitzerische Art eine fettige, stark gewürzte Wurst auf seinem Schoß.
»Mein Name ist Damiano Delstrego«, sagte Damiano mit einer Verbeugung. »Diese Dame ist meine Hündin Macchiata. Wir danken Euch für Eure Höflichkeit an diesem bitterkalten Abend.«
Der dunkelhaarige Jüngling stand mit einem leichten Lächeln auf. Die Verneigung des Burschen an der Tür war ein wahres Wunderwerk der Ziererei, das von drei Kratzfüßen begleitet wurde.
»Signor Dottore Delstrego, darf ich Euch mit unserer kleinen Gesellschaft bekannt machen. Dieser, der sich gerade erhoben hat, mit den Schultern des Herkules, ist Paul Breton. Er ist Dichter. Der Blonde ohne Manieren nennt sich Till Eulenspiegel. Wir sind Vaganten, die unmöglichen Kinder Paul Abélards
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