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Damiano

Damiano

Titel: Damiano Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R. A. MacAcoy
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den man seinen Kopf legen konnte. Salbei im Wind.
    Der alte Stall, vom Wind geschützt, und der Geruch des Futters im Eimer.
    Jetzt streichelte die Sonne wieder Damianos Gesicht; diese bukolische Idylle vertrieb ihm seine menschlichen Anhänger. Aber das bemerkte er kaum, denn er sah durch die Augen der Kuh, die im Windschatten der Felswand in die Mulde herabkam, um den Sommer zu suchen, der ganz nahe schien. Sie war kein wildes Tier; sie war allein, von ihrer Herde getrennt. Ihr Euter war geschrumpft, ihre Flanken eingefallen. Sie blieb stehen und sah sich um. Damiano erblickte die Wiese und sich selbst in ihrer Mitte, reglos auf dem runden Stein wie ein dunkler Baumstumpf.
    Der Sommer rief. Gras, Gras, knisterndes Heu. Die Kuh trottete auf ihn zu.
    Sie witterte Menschen und hielt wieder an – neugierig, auf unschuldige Art vorsichtig.
    Als der erste Beobachter die gefleckte Kuh entdeckte, die den Hügel herabkam, zischte er eine Warnung. Die Bürger erstarrten. Die, welche Schwerter trugen, legten die Hand ans Heft. Belloc hob seinen schweren Hammer.
    Die Kuh blieb stehen. Ihre innere Gewißheit, daß dort der Sommer wartete, begann sie im Stich zu lassen, wie sie Damiano im Stich ließ. Ihre Ohren zuckten, und sie blickte sich scheu nach allen Seiten um. Ein zierlicher Fuß war erhoben.
    »Auf sie!« schrie jemand, und ein halbes Dutzend Schwerter blitzten auf. Belloc schwang den Hammer.
    Damiano sah das Werkzeug herabsausen.
    »Nein!« schrie er oder versuchte es. »Nein! Laßt mich – «
    Die Kuh fiel auf die Knie, und Paolo Denezzi schlitzte ihr die braun und weiß gefleckte Kehle auf. Sie starb im Schnee, ohne einen Laut von sich zu geben, und wurde an Ort und Stelle geschlachtet, während ihr Fleisch in der kahlen Luft dampfte wie ein Topf Suppe.
    Carlo Belloc tauchte seine blutigen Hände in den Schnee und wandte sich von dem Kadaver ab. Er war höchst überrascht, als er sah, daß Damiano mit dem Gesicht nach unten im Schnee lag; nicht mehr als ein Fleck aus Rot und Gold. Denezzi blickte auf ihn nieder.
    Der Schmied eilte näher.
    »Was habt Ihr ihm getan?« fuhr er Denezzi an.
    »Ihm getan?« Denezzi schüttelte den Kopf. »Gar nichts habe ich ihm getan. Ich würde ihm ja auf die Beine helfen, aber seine Hündin…«
    Macchiata lag über ihrem zusammengebrochenen Herrn. Ihre Schnauze war von Haß verzerrt. Belloc sah sie unter buschigen Brauen hervor ernsthaft an.
    »Du kannst doch sprechen, nicht wahr, Hund? Sag uns, was deinem Herrn fehlt.«
    Sie leckte sich die Lefzen, und ihre Wut ließ nach.
    »Ich weiß es nicht. Er brach zusammen, als du die Kuh niederschlugst.« Sie grub ihre Schnauze in das Haar in Damianos Nacken, um sich zu vergewissern, daß er noch lebte. »Er ist sehr empfindsam«, fügte sie hinzu.
    Denezzi verkniff sich sein Lachen, als er Bellocs warnenden Blick sah, und blieb still.
    »Erlaube uns, ihn aufzuheben und zum Feuer zu tragen, Hündchen«, sagte Belloc. »Wenn er verletzt ist, werden wir ihm helfen. Wir sind seine Freunde.«
    Der Schmied hob Damiano mühelos hoch und schwang ihn über seine kräftigen Schultern. Der Stab blieb liegen, wo er niedergefallen war, bis Macchiata zurückkam, um ihn zu holen, nachdem sie gesehen hatte, daß man ihren Herrn behutsam vor dem Feuer niedergelegt hatte. Sie nahm das untere Ende des Stabs in ihr Maul und schleppte den Stock zu Damiano.
    Die Männer, an denen sie vorüberkam, gingen ihr aus dem Weg.
     
     
    Die Zeit war ein Rinnsal erkaltenden Bluts. Rot wurde braun. Braun wurde schwarz. Die Erinnerung zerfiel. Das Gefühl zerfiel. Er sah nichts, hörte nichts, fühlte nichts und wußte nichts.
    Die Hoffnung zerfiel.
    Damianos Augen starrten blind ins Feuer. Als Belloc ihn ansprach, gab er keine Antwort. Die ganze Nacht rührte er sich nicht, sprach kein Wort. Auch der Geruch bratenden Rindfleischs weckte ihn nicht aus seiner Lethargie. Macchiata lag an seiner Seite und war genauso still. Sie jedoch fraß sich satt.
    Bei Morgengrauen lockte das Licht der aufgehenden Sonne seinen Blick vom Feuer weg. Er stützte sich auf seine Ellbogen, und Macchiata blaffte laut vor Erleichterung. Sie übersäte sein stilles, regloses Gesicht mit Küssen.
    »So, mein Junge, Ihr seid also wieder unter uns?« murmelte Belloc, der die halbe Nacht gewacht und schließlich seine Decken neben Damiano ausgebreitet hatte.
    Langsam drehte sich Damiano Belloc zu.
    »Wie lange?« flüsterte er.
    »Wie lange Ihr wirr wart? Seit gestern abend. Es ist Morgen, Dami

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