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Damiano

Damiano

Titel: Damiano Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R. A. MacAcoy
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Straße führte. Er legte die Zügel des Pferdes in die Hände seines Nachbarn und sprang zu Boden. Seine schlanken Beine versanken im tiefen Schnee. Der Zug kam langsam zum Stehen, während Damiano wie ein Storch zur Hütte hinaufstakte.
    Mit drei Bündeln tauchte er wieder aus der Hütte auf.
    »Kleider«, sagte er. »Sehr gut sind sie nicht. Auch nicht sauber. Aber vielleicht kann jemand sie brauchen. Und eine Haarnadel ist auch noch dabei, wenn jemand die brauchen sollte.«
    Er hielt das edelsteinbesetzte Schmuckstück hoch. Zwei Dutzend Augen starrten es verständnislos an. Dann steckte er die Nadel wieder in den Beutel an seinem Gürtel. Als Damiano wieder sein Pferd bestieg, raschelte es unter seinem wollenen Kittel wie von dürren Blättern und Papier, und ein flaches, ziemlich schweres Päckchen hing ihm auf der Brust.
    Die Nordstraße führte stetig aufwärts. Sie war eisglatt, und einige der schweren Rösser am Ende des Zuges, besonders jene ohne Eisen, hatten Mühe die Steigung zu erklimmen. Damiano vermerkte mit dumpfer Belustigung, daß Aloisios Esel mit den neuen Bedingungen sehr gut fertig wurde und sich langsam zur Spitze vorschob.
    Damiano wandte sich Belloc zu, der schweigend auf seinem grauen Wallach gesessen hatte, seit sie am Morgen aufgebrochen waren.
    »Ich lernte das Lautespielen von einem Engel«, sagte er. »Von einem Erzengel, um genau zu sein. Niemand kann ihn sehen außer mir – und Macchiata.«
    Belloc sah ihn mit argwöhnischem Blick an.
    »Klingt das nicht albern, Signor Belloc? Bis gestern erschien es mir ganz natürlich. Meine Unterrichtsstunden waren mir das Wichtigste auf der Welt. So wichtig wie mein Bestreben, ein großer Alchimist zu werden. Und nun…«
    Er wandte langsam den Kopf und sah mit Augen um sich, die die Ferne nicht ermessen und das Licht der Sonne nicht ertragen konnten. Belloc betrachtete ihn mit einer Art gleichmütigen männlichen Mitleids.
    »Nun erscheint mir das alles sehr belanglos. Der Engel ebenso wie die Laute. Und auch die Alchimie. Das bewirkt, wenn man eine Nacht im toten Leib einer Kuh verbracht hat. Das läßt einen die Dinge in einer anderen Perspektive sehen. Das läßt einen das Leben so sehen, wie es wirklich ist, in seinem ganzen Elend. Oder vielleicht macht es einen auch nur krank.«
    »Die Krankheit narrt oft den Geist«, brummte Belloc, der nicht wußte, was Damiano mit der Krankheit meinte – daß man Engel sah, oder daß es einem gleichgültig war, ob man sie sah. »Ich sagte Euch ja, Ihr hättet zurückbleiben sollen.«
    »Oh? Warum denn? Wir werden nicht dorthin zurückkehren. Wenn wir auf der Straße bis Aosta niemanden finden, wird nichts anderes übrig bleiben, als in der Stadt zu verweilen. Für die meisten von uns jedenfalls. Sollten wir Pardos Soldaten begegnen, dann werden diese entweder uns töten oder wir sie, oder wir werden uns alle gegenseitig umbringen. Wenn aber wir überleben, dann tun wir besser daran, uns eilig davonzumachen, denn Pardo hat viele Freunde und Partestrada hat keine. Es sei denn, der Grüne Graf kommt, uns zu rächen. Erst im Frühjahr natürlich.«
    Damianos Augen glänzten trocken wie blank polierte Steine. Seine Haut war bleich.
    Belloc schüttelte den Kopf.
    »Wann habt Ihr das letztemal gegessen, junger Herr?«
    Damiano zuckte ohne Interesse mit den Schultern.
    Paolo Denezzi, der, als wäre er der Befehlshaber, einige Schritte vorausritt, blickte über die Schulter zurück. Und nach einem gewichtigen Schweigen ergriff er das Wort.
    »Wir reiten nach Aosta«, sagte er. »Die, welche Freunde oder Verwandte dort haben, mögen bleiben. Oder die, welche Geld haben zu bezahlen. Die anderen werde ich nach Donnaz führen, wo wir unseren Rachefeldzug planen werden.«
    Damiano spürte, wie Kampfeslust von ihm Besitz ergriff. Wann waren diese Pläne beraten und angenommen worden? Als er ins Lager gekommen war, hatte ein solcher Plan nicht existiert, und er hatte seitdem niemanden davon sprechen hören…
    Aber er war ja auch viele Stunden nicht bei Bewußtsein gewesen. Und konnte er einen besseren Zielort anbieten? Denezzi hatte zumindest das Wohl der Stadt im Sinn.
    Außerdem glaubte Damiano nicht, daß alles so glatt vonstatten gehen würde. Ein Trupp harter Kavalleriesoldaten verschwand nicht auf immer und ewig in den Bergen.
    Belloc räusperte sich. »Ihr habt Besitz in Donnaz, Signor Denezzi?«
    Denezzi nickte mißtrauisch. »Und?«
    »Ich habe mir nur überlegt, wo Ihr unsere heimatlosen Nachbarn

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