Damiano
Fichtenzweige in die lebenden Zweige eines Beerenbusches und warf eine Decke aus stark riechendem Öltuch darüber. Dann festigte er aus den immergrünen Zweigen noch eine dicke Matte als Unterlage auf dem gefrorenen Boden. Er sammelte Holz für ein Feuer und zündete es an. Es loderte so hoch wie ein Freudenfeuer zur Erntezeit, unüblich für das Nachtlager eines einsamen Reisenden, aber Macchiata fand es herrlich, und selbst der schwarze Wallach schob sich dichter an die Wärme heran.
Er kramte in seinem Proviant, bestehend aus Käse, Brot, Dörrfleisch, Obst und Fisch. Er konnte es sich leisten, wählerisch zu sein.
Er nahm sich einen Apfel, rosig und runzlig wie die Wange einer alten Frau, einen harten Romano und einen Streifen eingesalzenes Schweinefleisch. Er biß ein Stück von dem Fleisch ab, und beinahe hätte sich ihm der Magen umgedreht.
»Puh! Ich kann kein Fleisch essen. Es wäre gescheiter, ich würde es gar nicht erst versuchen.«
Er warf das ganze Stück Macchiata hin, die ihn mitleidig ansah, während sie es hinunterschlang.
»Mönche kommen auch ohne Fleisch aus«, brummte Damiano. »Jedenfalls sagt man das. Und worin unterscheidet sich mein Leben schon von dem eines Mönchs? Ich habe kein Geld, kein Zuhause, keine Familie – und keine Geliebte.«
»Du hast mich.« Die Hündin unterstrich ihre Bemerkung mit einem Klopfen ihres Schwanzes.
Damiano blinzelte. »Das ist wahr, Macchiata, und das ist sehr viel. Erinnere mich wieder daran, wenn ich es vergesse.« Er teilte den Käse in zwei Hälften.
Nach dem Mahl nahm Damiano seine Laute zur Hand und untersuchte sie beim Schein des Feuers. Der Lack über der Einlegearbeit im Rücken war milchig geworden, aber das geschah immer bei Feuchtigkeit. Ein richtig trockener Tag würde das wiedergutmachen. Die Saiten waren alle in Ordnung. Er zupfte eine traurige Melodie, die er sich ein Jahr zuvor selbst ausgedacht hatte.
Er war außer Übung, und seine Finger stolperten.
»So geht das nicht«, sagte er zu der Hündin, die sich in der Wärme des Feuers aalte. »Jeder Musiker hat die Pflicht, sich täglich die Zeit zu nehmen, auf seinem Instrument zu üben.«
»Du hast viel zu tun gehabt.« Macchiata gähnte.
»Ich habe immer viel zu tun«, erwiderte Damiano. »Das ist keine Entschuldigung.« Und er übte, bis sein eigenes Gähnen ihm die Augen schloß.
Das Wetter ist in den Alpen unberechenbar und neigt zu stellenweiser Bösartigkeit. Mitten in der Nacht überfiel der Himmel die kleine Gruppe mit einem Hagelschauer, der das Feuer zischen und flackern ließ und den Wallach aus dem Schlaf riß.
»Dominus Deus«, brummte Damiano. »Uns bleibt aber auch nichts erspart.«
Er brachte es nicht übers Herz, das Pferd zu verjagen, als dieses in die Knie ging und unter den notdürftigen Unterschlupf kroch, obwohl weder Pferd noch Unterschlupf der Konstruktion nach füreinander bestimmt waren.
Bald ging der Hagel in Schneeregen über, und das Feuer erlosch mit entrüstetem Fauchen. Der Aufbau aus Ästen und Öltuch riß aus seiner Verankerung und fiel auf den Rücken desPferdes, was Damiano nicht weiter kümmerte. Hauptsache, der Wallach blieb ruhig. Aber ein Zipfel von Damianos Umhang wurde patschnaß.
»Nach der vergangenen Nacht müssen wir aber sehr gute Freunde sein, hm, Festelligambe?« sagte Damiano zu dem Pferd und sah es mit samtig braunen Augen an, die den seinen sehr ähnlich waren. (Festelligambe heißt auf Italienisch etwa Spindelbein.) »Ich hatte deine sämtlichen vier Füße im Rücken, und wohlriechende Düfte hast du auch nicht gerade verbreitet, da du ja dauernd das Gras am Straßenrand frißt. Bring uns jetzt also auf dem schnellsten Weg in die Lombardei.«
Der Wallach nickte, als hätte er jedes von Damianos Worten verstanden.
Die Lombardei konnte nicht mehr fern sein. Die Reisenden gelangten jetzt nämlich in dichter besiedeltes Land und ließen das Reich des Winters hinter sich. Der Flecken umgegrabener Erde zum Beispiel, der da wie eine achtlos hingeworfene dunkle Decke am Hang des Hügels lag – der war erst vor kurzem bestellt worden. Und wenn Damianos Augen nicht trogen – was durchaus im Bereich des Möglichen lag –, so stand etwas weiter vorn, auf einem Buckel an der gewundenen Straße, ein Haus.
Ein richtiges Haus war es eigentlich nicht, vielmehr eine armselige Hütte mit einem Strohdach, das an manchen Stellen faulte, und Mauern, die aus Lehm gebaut waren. Zwei kleine Kinder streckten die kleinen
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