Damit Dein Leben Freiheit Atmet
seinem Sieg schaffte Cromwell sogar das Weihnachtsfest ab und ließ alle Theater schließen. Jede Bewegung, die das Unreine völlig abspaltet, wirkt spaltend. So war es auch mit dem Puritanismus. Noch heute gilt »Puritaner« häufig als Schimpfwort. Man belegt in Amerika mit diesem Wort vor allem Christen, die die Sexualität verteufeln und dennoch immer mit ihr beschäftigt sind, indem sie bei anderen nachschnüffeln,
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wie ihr Sexualleben aussieht. Der Puritanismus führt oft zur Scheinheiligkeit. Das Unreine im eigenen Herzen verdrängt man, um es auf andere zu projizieren und sie mit recht
»unreinen« Methoden zu bekämpfen.
Doch immer wenn wir auf andere schimpfen, offenbaren wir, daß uns etwas anzieht, was die anderen verkörpern. Und manch einer, der andere als Puritaner abqualifiziert, zeigt damit, daß er von der Sehnsucht der Puritaner nach einem authentischen Leben verunsichert ist und daß er diese Sehnsucht bei sich selbst abspaltet. Die Bewegungen der Katharer und der Puritaner sind eine bleibende Herausforderung für die christlichen Kirchen. Es geht nicht darum, die Sehnsuc ht nach Reinheit zu unterdrücken.
Aber es hilft auch nicht weiter, wenn ich mich mit meinem spirituellen Weg über andere stelle und auf die
»Traditionalisten« herabschaue. Entscheidend ist, daß ich die Sehnsucht nach Reinheit mit meinem konkreten Zustand, in dem ich mir die Hände immer wieder schmutzig mache, verbinde.
Anstatt ein absolutes Reinheitsideal anzustreben oder aber zu verteufeln, geht es darum, immer wieder durch den Schmutz hindurchzugehen, um mich auf den Prozeß der Reinigung einzulassen. Absolut rein werden wir erst im Tode werden, wenn Gottes Liebe uns für immer läutert.
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Die dunkle Nacht bei Johannes vom
Kreuz
Beim Thema Reinigung kann man am spanischen Mystiker Johannes vom Kreuz (1542 bis 1591) nicht vorbeigehen. Er hat den Prozeß der Läuterung am ausführlichsten in seinem Buch
»Die dunkle Nacht« beschrieben. Der Weg zu Gott führt durch die dunkle Nacht, in der die Gottesbilder und Selbstbilder gereinigt werden. Ohne diese innere Läuterung können wir uns Gott nicht nahen. Für mich ist Joha nnes vom Kreuz höchst aktuell. Denn ich nehme wahr, daß viele spirituelle Wege, die heute angeboten werden, die nötige Schattenarbeit nicht leisten.
Und so führen diese Wege die Menschen in die Irre. Viele meinen, sie würden Gott auf ihrem geistlichen Weg finden. Aber sie landen nur bei ihren eigenen Projektionen.
Johannes vom Kreuz schildert fünf Gefahren, die den geistlich Suchenden auf seinem Weg zu Gott heimsuchen. Am Beginn des geistlichen Weges verwöhnt Gott den spirituell Suchenden.
Er läßt ihn seine Nähe kosten. Lange Zeiten im Gebet machen ihm nichts aus. Im Gegenteil: er kann nicht genug beten. Er erfährt beim Beten und Meditieren innere Befriedigung. Doch dann entzieht Gott sich dem Beter, um ihn von all seinen Anhänglichkeiten zu befreien. Es beginnt die dunkle Nacht der Sinne. Auf einmal findet der Beter keinen Geschmack mehr an Gott und an der Meditation. Alles erscheint ihm dunkel. Das ist für Johannes ein Zeichen, daß Gott den Beter befreien möchte von der Überheblichkeit, die sich leicht einschleicht, wenn man die „Gebetserfahrungen“ genießt. Viele meinen, sie würden Gefallen an Gott finden. Aber in Wirklichkeit stellen sie sich über die anderen Menschen, die nicht beten. Sie gehen ihren spirituellen Weg, um sich als etwas Besonderes zu fühle n. Das
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ist für sie Motivation, jeden Tag zu meditieren und ihr ganzes Leben umzustellen. Doch sie werden auf diesem Weg nicht gereinigt, weil ihre tiefste Motivation ist: sich als die eigentlich spirituellen Menschen zu verstehen, die denen, die den üblichen Weg gehen, haushoch überlegen sind. Ich erlebe heute häufig Menschen, die sich als Schüler eines Meisters verstehen und sich dann über all die ändern stellen, die ihrer Meinung nach von Spiritualität letztlich keine Ahnung haben. Doch wenn sich ihr Geist nicht reinigt, führt sie der spirituelle Weg nicht zu Gott, sondern immer nur in das eigene Herz, das oft genug voller Aggression und Überheblichkeit ist.
Die zweite Gefahr, die Johannes vom Kreuz sieht, ist, das Wonnegefühl mit Gott zu verwechseln. Solche Menschen zeigen ihre Frömmigkeit nach außen. »Sie gefallen sich in dem, was die Menschen von ihnen denken, ja oft sind sie darauf versessen.«
(Johannes vom Kreuz 36) Wenn sie beichten, möchten sie ihrem Beichtvater
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