Damit Dein Leben Freiheit Atmet
reinigen. Sonst lahmen mich diese Gedanken und verdüstern meine Seele. Und schon geht von mir eine negative Ausstrahlung aus. Ich merke, daß ich dafür verantwortlich bin, was von mir ausstrahlt. Immer wieder ertappe ich mich dabei, daß sich in mir bittere Gefühle, Aggressivität und Unzufriedenheit festsetzen. Wenn ich das spüre, ist das für mich ein Alarmzeichen, daß ich zu lange solche Emotionen in mich habe einfließen lassen. Ich habe mein Inneres zu lange von dem Schmutz, der von außen auf mich einströmt, trüben lassen. Das ist dann für mich immer ein Ansporn, all den inneren Dreck aus mir herauszuschleudern, damit er sich nicht noch weiter in mir ausbreitet. Oder aber ich halte den ganzen Emotionsbrei in die reinigende Liebe Gottes, damit sich meine innere Stimmung wieder aufklärt und ich klar und angemessen reagieren kann.
Ein wichtiges Feld der Reinigung ist das der Tugenden. Auch meine Tugenden sind oft vermischt mit Nebenabsichten: Meine Liebe ist vermischt mit Besitzansprüchen, mit aggressiven
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Impulsen, mit Eifersucht, mit infantilen Wünschen. Meine Gerechtigkeit kann sich vermischen mit Selbstgerechtigkeit oder aber mit einem aggressiven Gerechtigkeitssinn, der mit Gewalt das Recht durchsetzen will. Schon die Römer kannten diese Art der Gerechtigkeit, wenn sie sagen: »fiat ius, pereat mundus«
(»es geschehe Gerechtigkeit - die Welt gehe zugrunde«). Ganz gleich, welche Auswirkungen die absolute Gerechtigkeit hat, selbst wenn die Welt daran zugrunde gehe, sie muß durchgesetzt werden. Auf diese Weise wird die Tugend zum Laster. Anstatt daß sie uns lebenstauglich macht, hindert sie uns am Leben und verhindert durch uns Leben. Die Klugheit kann zur Gerissenheit werden, zum taktischen Agieren. Die Tapferkeit kann zur Tollkühnheit verkommen. Ja selbst das Maß kann verfälscht werden, als mäßiges Tun, als bequemes „Sicheinrichten“ in seinem selbst gemachten Maß. Dann läßt man sich durch nichts aus der Ruhe bringen und sich durch nichts mehr betreffen. All meine Tugenden müssen in das Licht Gottes gehalten werden, damit ich erkenne, wo sie getrübt sind und wo sie gereinigt werden müssen.
Bei allem, was wir tun und reden, müssen wir uns immer wieder prüfen, ob sich da nicht unlautere Absichten einschleichen. Unser „Helfenwollen“ kann mit unseren eigenen Bedürfnissen nach Zuwendung vermischt sein. Unser Reden ist oft genug verschmutzt durch das Streben, im Mittelpunkt zu stehen und von allen gehört zu werden. Es schleicht sich in unser Reden das Bedürfnis ein, die Dinge besser darzustellen, als sie sind, um uns selbst in ein gutes Licht zu rücken. Wenn wir unser alltägliches Tun einmal genau anschauen, werden wir erkennen, wieviel Nebenabsichten sich da hineinmischen. In unsere Arbeit mischt sich der Ehrgeiz hinein, uns zu beweisen und andere zu übertreffen. Unsere ehrenamtliche Tätigkeit für die Pfarrei ist getrübt durch eigene Machtinteressen. Wir benutzen unseren Dienst für andere, um Einfluß zu gewinnen auf die Pfarrgemeinde und auf das ganze Dorf.
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Innere Klarheit und Reinheit werden wir jedoch nicht erlangen, wenn wir den Schmutz absolut loswerden wollen.
Reinigung setzt Schmutz voraus. Ich muß den Schmutz in mir anschauen und mich von dem Ideal verabschieden, daß ich je ohne Schmutz sein kann. Ich werde immer wieder schmutzig werden. Mancher Makel wird an mir hängenbleiben. Ich kann mein schuldhaftes Verhalten nicht einfach rückgängig machen.
Ich darf darauf vertrauen, daß Gott mir meine Schuld vergeben hat. Und ich kann lernen, sie mir selbst zu vergeben. Aber der Makel, daß ich einen öffentlichen Fehler begangen habe, wird bleiben. Ich kann mich davon nicht reinwaschen. Ich muß nur angesichts meines Makels mit mir selbst ins reine kommen. Und das wird mir nur gelingen, wenn ich durch das Unreine hindurchgehe. Durch die Erfahrung einer verschmutzten psychischen Umwelt werde ich immer wieder unrein werden.
Ich kann dem Schmutz nicht ausweichen. Er wirft sich auf mich, ob ich will oder nicht. Meine Aufgabe ist es, ins Unreine hineinzugehen, um es zu läutern. Ich darf keine Angst vor dem Schmutz haben. Ich muß ihn anschauen und mich in innerer Reinheit und Klarheit dem Trüben und Schmutzigen stellen. Das Ergebnis wird nicht das Reinheitsideal unserer
Waschmittelindustrie sein, sondern ein Mensch mit Fehlern und Schwäche n, mit Runzeln und Einfärbungen. Aber durch seine Narben und dunklen Stellen hindurch leuchtet eine
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