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Damit Dein Leben Freiheit Atmet

Damit Dein Leben Freiheit Atmet

Titel: Damit Dein Leben Freiheit Atmet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anselm Gruen
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Wissen und Gewissen treffen. Wir würden die objektiven Fakten sammeln und dann ganz sachlich entscheiden. Doch unsere wenigsten Entscheidungen sind rein sachlich. Da mischen sich ganz viele andere Motive mit hinein. Wir spüren ein Machtbedürfnis, das wir in der Entscheidung ausagieren können.
    Ich entdecke in mir Ressentiments einem bestimmten
    Mitarbeiter gegenüber. Und ich benutze die Entscheidung, um ihm eines auszuwischen, oder ihn ins Abseits zu stellen. Oder aber ich bezwecke mit der Entscheidung etwas anderes, als ich angebe. Ich entscheide, obwohl ich gar nicht klar erkenne, was das Beste ist. Ich möchte mich mit der Entscheidung als
    »Macher« beweisen, der alles im Griff hat, der schnell entscheiden kann und die richtigen Perspektiven für die Zukunft eröffnet. So ist es eine wichtige Herausforderung, bei Entscheidungen in sich zu gehen und sich zu fragen, ob ich wirklich aus einer inneren Klarheit heraus handle, oder ob sich nicht viel Fremdes eingeschlichen hat, das mein Inneres trübt.

    -95-

    Reinigung in der Gemeinschaft

    Der hl. Benedikt ordnet an, daß der Abt am Ende von Morgen- und Abendlob jeweils laut das Vaterunser beten soll, so »daß es alle hören können, wegen der Spannungen, die gelegentlich wie Dornen auftreten. Dadurch, daß sie im Gebet selbst versprechen: Vergib uns, wie auch wir vergeben, sind sie gehalten, sich von solchen Fehlern zu reinigen.«
    (Benediktsregel, Kapitel I3,12f) Benedikt ist überzeugt, daß die Gemeinschaft der täglichen Reinigung bedarf. Das laut gesprochene Vaterunser ist ihm ein wichtiges Mittel der Reinigung. Wenn in einer Gemeinschaft die Fehler weiter wuchern, dann entsteht in ihr eine Atmosphäre von Unklarheit und Trübung. Benedikt hat einige Kapitel in seiner Regel über die Behandlung von Verfehlungen geschrieben. Es ist ihm ein wichtiges Anliegen, daß das Böse sich nicht in der Gemeinschaft ausbreitet und die ganze Atmosphäre trübt.
    Benedikt schärft dem Abt ein, daß er sich wie ein Arzt um die Brüder kümmern solle, die sich verfehlt haben. Er soll sich wie der gute Hirte darum sorgen, »kein ihm anvertrautes Schaf zu verlieren« (ebd. 27,5), und er soll dem verlorenen Schaf nachgehen, »um das eine verirrte Schaf zu suchen« (ebd. 27,8).
    Nur wenn alle Mittel der Heilung nichts nützen, darf der Abt zum äußersten Mittel greifen, der Ausschließung eines Bruders aus der Gemeinschaft. »So soll nicht ein räudiges Schaf die ganze Herde anstecken.« (Ebd. 28,8) Alle Sorge des Abtes um die Brüder, die sich verfehlt haben, dient letztlich der ganzen Gemeinschaft. Die Krankheit des einzelnen darf sich nicht in der Gemeinschaft ausbreiten. Dahe r soll der Abt versuchen, die Krankheit des einzelnen zu heilen oder zumindest
    einzudämmen, um die Gemeinschaft vor Ansteckung zu
    schützen.
    -96-

    Was für die Mönchsgemeinschaft gilt, hat seine Gültigkeit für jede Art von Gruppe, für die Familie, für eine Firma, für eine Dorfgemeinschaft. Ein wichtiges Mittel der Reinigung ist das Achten auf die Sprache. Eine verunreinigte Sprache trübt auch die Beziehungen. Wenn wir die Sprache in einer Sitzung (im Pfarrgemeinderat, in einer Firmenbesprechung...) genau beobachten, merken wir, wie unbewußt die Sätze dahingesagt werden und wieviel Schmutz an den einzelnen Worten haftet.
    Da werden die Emotionen mit vermittelt. Und es entsteht innerhalb einer Sitzung Unklarheit. Die Reinigung der Sprache ist ein wichtiges Mittel, die Atmosphäre in einer Gruppe zu klären. Ein anderer Weg ist, die Probleme offen anzusprechen, um sie dann zu lösen. Wenn die Konflikte zu sehr unter den Teppich gekehrt werden, dann verunreinigen sie die
    Atmosphäre. Oft gibt es in Gemeinschaften die Tendenz zu harmonisieren. Man hat Angst vor Streit und deckt daher die Konflikte einfach zu. Doch dann sammelt sich unter der Decke viel Staub an, der den Raum einer Gemeinschaft immer mehr verdunkelt und trübt.
    Oft ist auch ein Reinigungsritual wichtig, um Altes und Getrübtes aus der Mitte einer Gemeinschaft fortzuschaffen und sich davon zu befreien. Die Klöster kennen seit jeher die Übung der »Culpa«, in der man sich für Verfehlungen entschuldigt, die die Gemeinschaft betreffen. In vielen Gemeinschaften hat man diese Culpa abgeschafft, weil sie zu formalistisch geworden ist.
    Aber heute spürt man wieder das Bedürfnis, daß jede Gemeinschaft Orte braucht, an denen die Atmosphäre gereinigt werden kann. Bei uns in Münsterschwarzach haben wir die Culpa in die

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