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Damit ihr mich nicht vergesst - Die wahre Geschichte eines letzten Wunsches

Damit ihr mich nicht vergesst - Die wahre Geschichte eines letzten Wunsches

Titel: Damit ihr mich nicht vergesst - Die wahre Geschichte eines letzten Wunsches Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mitch Albom
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sind vermutlich die meisten Kriege aus religiösen Gründen geführt worden. Christen haben Juden getötet, Juden Muslime, Muslime Hindus, Hindus Buddhisten, Katholiken Protestanten, Orthodoxe Heiden und umgekehrt. Der Krieg verschwindet nie – er wird nur vorübergehend eingestellt.
    Ich fragte den Rebbe, ob sich seine Haltung zu Krieg und Gewalt im Laufe seines Lebens gewandelt habe.
    »Erinnern Sie sich noch an die Geschichte von Sodom und Gomorra?«, fragte er mich.
    Ja.
    »Sie wissen also, dass Abraham sehr wohl verstand, dass jene Menschen böse und verkommen waren. Was hat er aber getan? Er debattierte mit Gott darüber, ob diese Städte wirklich zerstört werden müssten. Er sagte: Könnt Ihr sie wenigstens dann verschonen, wenn nur fünfzig gute Menschen dort leben? Gott willigte ein. Dann reduzierte Abraham die Zahl auf vierzig und schließlich auf dreißig, denn er wusste, dass es nicht so viele gute Menschen gab. Er handelte weiter, bis er bei zehn angelangt war.«
    Und dann waren es nicht mal so viele, merkte ich an.
    »Richtig«, bestätigte der Rebbe. »Aber verstehen Sie, was ich sagen will? Abrahams Haltung war richtig. Zuallererst muss man sich gegen Krieg, gegen Gewalt und Zerstörung wenden, denn dies sind keine normalen Daseinsformen.«
    Aber so viele Menschen führen Krieg im Namen Gottes.
    »Mitch«, sagte der Rebbe. »Gott will nicht, dass getötet wird.«
    Warum hört es dann nicht auf?
    Der Rebbe zog die Augenbrauen hoch.
    »Weil der Mensch töten will.«
    Er hatte natürlich recht. Man sieht ja, wie der Mensch immer wieder Kriege anzettelt. Man sucht Rache, missachtet jegliche Toleranz. Ich habe als Kind gelernt, warum gerade unsere Haltung die richtige ist. In einem anderen Land lernen Kinder das Gegenteil.
    »Ich habe Ihnen dieses Buch aus einem bestimmten Grund gegeben«, sagte der Rebbe.
    Aus welchem?
    »Schlagen Sie es noch einmal auf.«
    Ich tat wie geheißen.
    »Blättern Sie es durch.«
    Drei kleine verblasste und schmutzbefleckte Schwarzweißfotos fielen heraus.
    Auf einem war eine ältere dunkelhaarige mütterlich wirkende Frau abgebildet, die arabisch aussah. Auf dem zweiten sah man einen jungen Araber mit Schnurrbart, der Anzug und Krawatte trug. Auf dem dritten Foto standen zwei Kinder nebeneinander, Bruder und Schwester vielleicht.
    Wer sind diese Leute?, fragte ich.
    »Das weiß ich nicht«, antwortete der Rebbe leise. Er streckte die Hand aus, und ich reichte ihm das Foto von den Kindern.
    »Seit Jahren sehe ich diese Menschen vor meinem geistigen Auge. Deshalb habe ich das Buch aufbewahrt. Ich hatte das Gefühl, diese Leute am Leben erhalten zu müssen.
    Ich dachte, dass vielleicht irgendwann jemand diese Bilder sehen und die Leute erkennen würde. Dann hätte man die Bilder Überlebenden geben können. Aber allmählich wird meine Zeit knapp.«
    Er gab mir das Foto zurück.
    Augenblick mal, sagte ich. Das verstehe ich nicht. Von Ihrer Religion aus betrachtet sind diese Menschen Ihre Feinde.
    »Feinde, Papperlapapp«, entgegnete der Rebbe aufgebracht. »Das war eine Familie .«

Aus einer Predigt des Rebbe (1975)

    »Ein Mann sucht Anstellung auf einer Farm und gibt dem Bauern sein Empfehlungsschreiben. Darin steht nur: ›Er schläft bei Unwetter.‹
    Der Bauer braucht dringend Hilfe und stellt den Mann ein. Er ist auch zufrieden mit seinem Knecht, sinnt jedoch weiterhin über das rätselhafte Schreiben nach.
    Nach einigen Wochen bricht ein furchtbares Unwetter über das Tal herein.
    Von heulendem Wind und tosendem Regen geweckt, springt der Bauer aus dem Bett und ruft nach seinem neuen Arbeiter. Doch der schläft tief und fest.
    Der Bauer rennt zur Scheune, wo er verblüfft sieht, dass die Tiere fest angebunden sind und reichlich Futter haben.
    Er läuft aufs Feld. Dort stellt er fest, dass der geerntete Weizen zu Ballen geschnürt und mit Planen bedeckt ist.
    Er hastet zum Silo. Das Dach ist fest verschlossen, die Türen sind verriegelt, das Korn ist trocken.
    Da versteht der Bauer, was ›Er schläft bei Unwetter‹ zu bedeuten hat.
    Meine Freunde, wenn wir erledigen, was wichtig ist im Leben, wenn wir gut sind zu unseren Lieben und unserem Glauben folgen, dann wird unser Leben nicht vom Fluch unerfüllter Pflichten verfolgt sein. Unsere Worte werden stets aufrichtig und unsere Umarmungen herzlich sein. Wir werden uns niemals sagen müssen: ›Hätte ich doch nur dies und jenes getan.‹ Wir dürfen während eines Unwetters tief und fest schlummern.
    Und wenn die Zeit

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