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Damit ihr mich nicht vergesst - Die wahre Geschichte eines letzten Wunsches

Damit ihr mich nicht vergesst - Die wahre Geschichte eines letzten Wunsches

Titel: Damit ihr mich nicht vergesst - Die wahre Geschichte eines letzten Wunsches Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mitch Albom
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sich auch bemühen, alles zu verändern – das Leben auszudehnen, mit den Genen herumzuspielen, dies und das zu klonen, bis die Menschen hundertfünfzig Jahre alt werden: An irgendeinem Punkt ist das Leben zu Ende. Und was geschieht dann? Wenn das Leben vorbei ist?«
    Ich zuckte die Achseln.
    »Verstehen Sie?«
    Der Rebbe lehnte sich zurück und lächelte.
    »Dort, wo alles zu Ende geht, beginnt Gott.«
    Viele große Geister haben sich bemüht, die Existenz Gottes zu widerlegen. Manche haben dabei auch die Seite gewechselt. C. S. Lewis, der so wortgewandt über den Glauben schrieb, hatte zu Beginn mit der Vorstellung von Gott gerungen und sich als »meistgeschmähter und widerstrebendster Konvertit von ganz England« bezeichnet. Louis Pasteur, der große Wissenschaftler, versuchte die Existenz einer göttlichen Macht durch Fakten und Forschung zu widerlegen, ließ jedoch zuletzt davon ab, weil er das Schöpfungsergebnis Mensch als zu großartig empfand.
    Jüngst war eine Flut von Büchern erschienen, in denen Gott als närrische Einbildung, als Hokuspokus oder Allheilmittel für Minderbemittelte dargestellt wurde. Ich dachte, der Rebbe würde sie abscheulich finden, doch dem war nicht so. Er hatte Verständnis dafür, dass der Weg zum Glauben weder geradlinig noch einfach und oft alles andere als logisch verläuft. Und er wusste eine kluge Meinung immer zu schätzen, auch wenn er sie nicht teilte.
    Mir persönlich gab es immer zu denken, wenn Schriftsteller und andere Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens behaupteten, Gott gäbe es nicht. Das taten sie meist, während sie noch berühmt und gesund waren. Doch wie war ihnen wohl in den stillen Momenten vor ihrem Tod zumute?, fragte ich mich. Wenn sie nicht mehr im Scheinwerferlicht standen und die Welt sich nicht mehr ausschließlich um sie drehte. Wenn sie in ihren letzten Momenten durch Angst, eine Vision oder eine späte Erleuchtung eine andere Haltung zu Gott fanden. Das würde wohl niemand mehr erfahren.
    Der Rebbe hatte seinen Glauben immer behalten, das war klar, aber ich wusste auch, dass er einiges, was Gott gestattete, ganz und gar nicht guthieß. Vor vielen Jahren hatte Albert Lewis eine Tochter verloren, was seine Welt in ihren Grundfesten erschütterte. Und er weinte jedes Mal, wenn er einstmals kraftvolle Mitglieder seiner Gemeinde besuchte, die nun krank und hilflos im Krankenhaus lagen.
    »Warum gibt es nur so viel Leid?«, fragte er dann und blickte zum Himmel auf. »Nimm sie doch zu dir. Was soll das für einen Sinn haben?«
    Einmal stellte ich dem Rebbe die gängigste aller Glaubensfragen: Wieso müssen gute Menschen Leid erdulden? Diese Frage ist in Büchern und Predigten, auf Websites und in tränenreichen Umarmungen immer wieder beantwortet worden. Der Herr hat sie zu sich gerufen … Er starb in Liebe … Sie war ein Geschenk … Das ist eine Prüfung …
    Ich entsinne mich eines Freundes der Familie, dessen Sohn schwer erkrankt war. Danach stand der Mann bei jeder religiösen Feier, sogar bei Hochzeiten, draußen im Gang. Er weigerte sich, am Gottesdienst teilzunehmen. »Ich kann mir das nicht mehr anhören«, sagte er. Er hatte seinen Glauben eingebüßt.
    Als ich den Rebbe fragte, warum gute Menschen Leid erdulden müssten, gab er keine der bekannten Antworten, sondern sagte nur leise: »Das weiß niemand.« Das beeindruckte mich sehr. Doch als ich dann fragte, ob das jemals seinen Glauben an Gott erschüttert habe, fiel die Antwort eindeutig aus.
    »Ich darf nicht wanken«, sagte er.
    Aber Sie dürften es, wenn Sie nicht an eine allumfassende Macht glauben würden.
    »Dann wäre ich Atheist«, erwiderte er.
    Ja.
    »Dann könnte ich auch erklären, warum meine Gebete nicht erhört werden.«
    Genau.
    Er betrachtete mich eingehend. Dann holte er tief Luft.
    »Ich hatte einmal einen Arzt, der Atheist war. Habe ich Ihnen schon mal von ihm erzählt?«
    Nein.
    »Dieser Arzt versuchte mir immer Steine in den Weg zu legen, weil er meinen Glauben nicht akzeptieren wollte. Er legte mir zum Beispiel gerne Termine auf den Samstag, damit ich die Sprechstundenhilfe anrufen und erklären musste, dass ich diesen Termin aufgrund meiner Religion nicht wahrnehmen konnte.«
    Netter Typ, sagte ich.
    »Eines Tages las ich jedenfalls in der Zeitung, dass sein Bruder gestorben war. Ich stattete dem Arzt einen Kondolenzbesuch ab.«
    Nachdem er Sie so schlecht behandelt hatte?
    »In meinem Job gibt es keine Rache«, sagte der Rebbe.
    Ich lachte.
    »Ich gehe also

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