Damit Kindern kein Flügel bricht - Kindliche Verhaltensauffälligkeiten verstehen und ein gutes Familienklima fördern
seelisch-körperlichen Bildungsprozess, der von Geburt an bestimmt wird durch die Interaktionserfahrungen des Kindes mit der Umwelt.« (Dammasch/Katzenbach 2004, S. 10) Die kindliche Entwicklung und die Lernfähigkeit entfalten sich also in einem Wechselspiel zwischen Mutter/Vater und Kind, das vonseiten der Mutter in einem genügend guten emotionalen Spiegeln, Antworten und Halten des Kleinkindes besteht. Wenn die Eltern in der Lage sind, sich in die inneren Zustände ihres Kindes emotional hineinzuversetzen und entsprechend zu reagieren, auf die positiven Gefühlsäußerungen des Kindes auch positiv spiegelnd zu antworten und die ängstigenden Gefühle des Kindes zu mildern und ihm »verdaut« zurückzugeben, so verinnerlicht das Kind diese Erfahrungen und wird fähig, über sich und andere nachzudenken: ohne lähmende Angst und ohne hinderliche Denkbarrieren und, so muss man hinzufügen, mit Neugierde auf und Lust an neuen Erfahrungen.
Es ist nicht so, dass nur die Mutter als erste relevante Betreuungsfigur und Nährstation einen großen Anteil an dem sich entwickelnden Lernvermögen des Kindes hat. Auch der Vater hat großen Einfluss bei der Strukturierung der Lernprozesse seines Kindes. Frank Dammasch und Dieter Katzenbach sprechen von der dreifachen Funktion des Vaters: »... als symbolischer Vater in der Innenwelt der Mutter, dem aktiv spielenden und verstehenden Vater in der frühen Entwicklung und dem ödipal begrenzenden und zur Identifizierung einladenden Vater«. (Dammasch/Katzenbach 2004, S. 11) Die Autoren können in ihrer Auffassung nur bestätigt werden, dass Störungen in der frühen Kindheit den Denk- und Lernapparat des Kindes strukturell beschädigen. Mögliche Störungen in der frühen Entwicklungsphase des Kindes können durch
mangelnde Fähigkeit zur Affektregulierung zuerst der Mutter, später des Vaters und beider Elternteile entstehen. Der Grund dafür können traumatische Ereignisse wie der Verlust oder Tod einer elterlichen Betreuungsfigur oder eine äußerst konflikthafte Paarbeziehung sein, was zur Folge hat, dass die Eltern zu sehr miteinander beschäftigt sind.
Kinder, die sich in diesem Störungsfeld aufhalten, finden nur schwer zum Spiel. Das Spiel ist jedoch die erste, von der direkten körperlichen Anwesenheit der Eltern abgelöste Symbolhandlung. Dort findet die erste Inszenierung seiner gemachten und verinnerlichten Erfahrungen mit Eltern und Welt statt. Das Spiel ist ein, wie Donald W. Winnicott es genannt hat, erster Übergangsraum von der Zweipersonenwelt Mutter - Baby in die Dreipersonenwelt Vater - Mutter - Kleinkind und schließlich vieler Menschen, wie sie dem Kind dann im Kindergarten und der Schule begegnen werden. Das Spiel erlaubt dem Kind eine erste Symbolisierung. Es greift nach der Kasperlfigur Hexe, wenn die Mutter es mit einem Nein geärgert hat, und fordert das Krokodil auf, die Hexe zu fressen. Diese symbolische Spielfähigkeit ist der Nährboden für die eigentliche Symbolisierungsfähigkeit, den Einsatz der Sprache. Wenn ein Kind das erste Mal eine Puppe in die Hand nimmt und diese Puppe »Mama« nennt, hat es eine Beziehungswelt verlassen, in welcher die Mutter noch konkret da sein muss, und sich mit einem Symbol für die Mutter ausgestattet. Die Mutter kann ja nicht immer da sein, was einen großen, bedeutsamen Entwicklungsschritt erfordert. Dammasch/Katzenbach betonen, dass die Sprache in »ihrer Funktion als Medium symbolischer Interaktion« nur Bedeutung gewinnen kann, wenn das Kind davor die Erfahrung hat machen können, dass seine »inneren Zustände und emotionalen Befindlichkeiten« (Dammasch/Katzenbach 2004, S. 11) in der Beziehung zu den Eltern Bedeutung bekommen haben.
Legasthenie
Legasthenie stellt eine seelische Erkrankung dar. Sie ist im eigentlichen Sinne eine Symbolbildungsstörung, die auf konflikthaft verarbeitete und verinnerlichte Beziehungserfahrungen zurückzuführen ist. Diese Symbolbildungsstörung ist der Grund für die Lese-Rechtschreib-Schwäche.
Zu den Lernstörungen wird auch die Dyskalkulie (Rechenstörung) gezählt. Auch sie ist wie die Legasthenie eine Entwicklungsstörung schulischer Fertigkeiten. Dass ich mich hier ausschließlich auf die Legasthenie konzentriere, erklärt sich aus dem Umstand, dass Eltern ihre Kinder so gut wie nie wegen Dyskalkulie in der Praxis anmelden. Dyskalkulie gehört im hier gewählten Rahmen somit nicht zu den fünf häufigsten Störungen. Auch scheint sie sowohl von Eltern wie Lehrern als
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