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Damit Kindern kein Flügel bricht - Kindliche Verhaltensauffälligkeiten verstehen und ein gutes Familienklima fördern

Titel: Damit Kindern kein Flügel bricht - Kindliche Verhaltensauffälligkeiten verstehen und ein gutes Familienklima fördern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kösel
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das Fenster. Das Fenster befindet sich im Erdgeschoß. Seine Eltern schauen ihn genervt an und der Vater meint in resigniertem Ton: »So läuft’s ständig.« Und die Mutter: »Es ist der Wahnsinn... doch er tut mir auch leid, er ist ja intelligent.« Ich sage zu Sebastian gewandt: »Deiner Mutter tut es leid, wenn ich sie richtig verstanden habe, dass du gar nicht zeigen kannst, wie intelligent du bist, da du ja todesmutig sein musst. Hier bekommen auch Kinder einen Platz, die nicht so todesmutig sind.« Sebastian: »Wie muss man denn hier sein?«
    Die Therapie mit Sebastian hat zwei Jahre gedauert. Er hat mich noch oft geprüft, mir noch einige Kostproben seines todesmutigen Verhaltens gegeben. Doch es war eben nur sein
Verhalten, das er sich zum Schutz vor Verletzungen von klein auf zugelegt und antrainiert hatte. Er war nicht wirklich so, er spielte - allerdings sehr gekonnt und manchmal täuschend echt - einen Jungen, der sich vor nichts fürchtet, nur vor Stille, vor Verweilen bei einem Spiel, vor Abgelehntwerden, vor Platzverlust.
    Einmal musste ich eine Stunde verlegen, seine Donnerstagsstunde, und gab ihm eine Stunde am Freitag. So war es auch mit seiner Mutter besprochen. Doch am Donnerstag kam er mit seiner Mutter zur gewohnten Stunde und ich war nicht da. Am Abend rief mich seine Mutter ganz aufgelöst an, Sebastian sei fast am Durchdrehen zu Hause. Er weine, sei ganz enttäuscht von mir. Er habe ihr drei Stunden vor seiner gewohnten Therapiestunde gesagt, ich hätte ihm in der Dienstagsstunde gesagt, es sei falsch, dass er am Donnerstag nicht kommen könne, es sei so wie immer. Diese Reaktion hat den Eltern erstmals im ganzen Umfang deutlich werden lassen, wie sehr ihr Sohn auf eine konstante Bindung angewiesen ist, wie viel ihm seine Eltern und ihr verlässlicher, aufmerksamer Umgang mit ihm bedeuten. Sie haben zunehmend besser begriffen, dass hinter der Maske des todesmutigen Kerls, die er mit so viel Getöse und Aktion glaubte aufrechterhalten zu müssen, ein liebesbedürftiger, sensibler und nach positiver Aufmerksamkeit heischender Junge hervorschaut, wenn auch längere Zeit noch etwas verschämt.
    Hier eine notwendige Anmerkung zum Therapiegeschehen: Liebe und Zuneigung, wie sie im Laufe einer Therapie auf den Therapeuten übertragen werden, gelten zwischenzeitlich tatsächlich auch dem Therapeuten, doch vor allem und in erster Linie den Eltern. Therapeuten sollten das nie außer Acht lassen. Sie sind nur eine Zwischenstation im Leben der Patienten und ein Objekt, das sich für die Erfahrungen, welche das Kind machen muss, um sich weiterentwickeln zu können, zur Verfügung stellt und von diesem
Kind (und ebenso den Eltern) im positiven Sinne benutzen lässt. Eine gute und fundierte professionelle Ausbildung sorgt dafür, dass es da nicht zu »Verwechslungen« kommt im Sinne von »Das Kind liebt die Therapeutin, weil es seine Eltern nicht lieben kann oder weil die Eltern es nicht lieben«. Es gibt kaum Eltern, die nicht bereit sind, ihr Kind angemessen zu lieben und dafür auch innere und äußere Lebensumstände zu korrigieren. Doch mitunter führt der Weg dahin über die Zuneigung und Liebe des Therapeuten zu diesen Eltern, die an ihrer Liebesfähigkeit zweifeln und ebenfalls eine Maske tragen - weil auch ihr Liebeshunger nicht immer ausreichend genährt worden ist. Auch Eltern greifen zu den Masken der Ungeduld, der Distanzierung, der hektischen Suche nach beruflicher Bestätigung, der Sicherheit einer finanziellen Geborgenheit in Ermangelung einer psychischen Geborgenheit.

Lernstörungen
    Es gibt inzwischen kaum noch Zweifel unter Lernpädagogen, Neurobiologen, Kognitionsforschern und Psychotherapeuten, dass zwischen der emotionalen Entwicklung des Kindes und seiner Lernfähigkeit ein direkter Zusammenhang besteht. Die lange Zeit geführte Debatte, ob die Entwicklung des Menschen durch seine Gene oder durch die soziale Umwelt bestimmt sei, gehört der Vergangenheit an. Die seit einigen Jahren vorliegenden und ständig weiter präzisierten Erkenntnisse der Neurobiologie und Neuropsychologie haben dabei eine entscheidende Rolle gespielt. Es herrscht kaum noch Unstimmigkeit darüber, dass die Gene durchaus eine Rolle spielen bei den potenziellen Fähigkeiten des Einzelnen, doch dass die Entfaltung der im Gehirn angelegten Möglichkeiten
ganz entscheidend von zwischenmenschlichen Erfahrungen in der frühen Kindheit abhängig sind.
    »Die Fähigkeit zum Lernen entwickelt (sich) in einem

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