Damit Kindern kein Flügel bricht - Kindliche Verhaltensauffälligkeiten verstehen und ein gutes Familienklima fördern
dass diese Paare die unumstrittenen Lieblinge der Yellow Press sind. Sie machen etwas her mit ihrer raffiniert inszenierten Nacktheit, die sie manchmal real zeigen, meistens aber schlichtweg - verkörpern. Diese Inszenierungen kommen unserem Bedürfnis nach Verflachung komplexer Zusammenhänge und haptischem Begreifen der Welt entgegen. Diese Paare sind wichtige Bestandteile der Illusion: Was sichtbar ist, muss wahr sein. Wobei ganz wichtig ist zu sagen, dass solche Paare kein flaches Gefühlsleben aufweisen. Eifersucht, Konkurrenz, Leidenschaft, Gier, Glücksempfinden, Folie à deux treiben solche Paare mehr um als das Paar Solide und das Narzissen-Paar. Doch durch die Betonung auf den Geschlechtskörper werden feinere und tiefere Signale solcher Paare oft übersehen. Ihr sicher gewähltes Parfum übertüncht weniger eindeutige Signale der Seele.
Das Narzissen-Paar
Spieglein, Spieglein an der Wand, wer ist der Beste, Erfolgreichste, Tollste im ganzen Land? Und welche Frau ist die Anmutigste, die Besondere hier?
Narcissos, der anmutige griechische Jüngling, so geht die Sage, beugte sich über das Wasser und war ergriffen von seiner Schönheit. Er verliebte sich sofort unsterblich in sein Spiegelbild.
Narzissen-Paare tragen, zuerst einmal jeder der Partner einsam für sich, starke Bilder mit sich herum. Was ist der Inhalt dieser Bilder? Er kreist um Perfektion, Größe, Unverwundbarkeit, Achilles-Bilder also, doch ohne die verwundbare Ferse. Es sind wunderschöne Bilder in einer nicht so perfekten Welt.
»Sie sieht ein verkrüppeltes Kind oder einen Zwerg oder eine Frau mit einem amputierten Arm (…) Figuren (…) inmitten einer Anhäufung von unglücklichen, hämischen, verdammten, von Demütigungen und Verbrechen beschriebenen Gesichtern, unträumbaren Visagen. Und deren Ausdünstung, diese globale Emanation von Hässlichkeit, treibt ihr die Tränen in die Augen, lässt sie den Boden unter den Füßen verlieren...« (Bachmann 1982a, S. 335) Von dem im Bachmann-Zitat Gesehenen und Empfundenen, oft und gerade in der eigenen Seele, gilt es wegzukommen. Nur fort, fort von so viel Unzulänglichkeit und Beschränkung. Dieses Streben nach dem Reinen und Wahren ist wie ein starker Motor. Am ehesten mit einem Porsche vergleichbar. Oder würden männliche Leser einer anderen Automarke den Vorzug geben? Egal, Hauptsache leistungsstark und vollkommen.
Weder der Gefühlskörper noch der Geschlechtskörper steht im Visier des Narzissen-Mannes, der Narzissen-Frau. Es ist der Ideenkörper , mit dem hier die Liebesbeziehung angefüllt wird. Kein Paar ist so stark von Ideen gesteuert wie das
Narzissen-Paar. Und immer kreisen diese Ideen um Absolutes, um das Ticket in ein Land, in welchem die Sonne stärker und besser strahlt als in den Nachbarländern. Es sind ehrgeizige, ambitionierte und leistungsstarke Paare. Die Männer sind durchaus bereit, beim Verfolgen ihrer inneren Bilder auch Nachtschichten einzulegen, die Frauen stöhnen zwar unter der (oft vorhandenen) Doppelbelastung Beruf-Kind, »aber man hat ja so seine Ziele« (so eine Narzissen-Frau zu mir).
Oft kommt bei solchen Paaren nicht nur ein intensives Wollen, sondern auch viel Können zusammen. Doch bei ihrem Getriebensein nach Erfolg und Anerkennung haben sie auch mit ein paar Stolpersteinen zu kämpfen, und zwar nicht mit Kieselsteinen. Manchmal sind es Felsbrocken, die plötzlich auf dieser rasanten Fahrt zum Sonnenland herunterkrachen und die Reise vorzeitig beenden.
Das Narzissen-Paar baut sein Ideenhaus mit einem Material, das nicht immer aus solidem Mörtel ist, sondern aus Idealisierung der eigenen und der geliebten Person besteht. Und Idealisierung, das wissen zumindest alle Therapeuten, weil sie nicht selten ein Opfer davon werden, hat eine weniger schöne Kehrseite: die Entwertung. Das Narzissen-Paar hat einzeln und gemeinsam das Vollkommene und Fehlerlose im Blick. Also eine Idee. Denn das Fehlerlose und Vollkommene gibt es nicht. Kein Mensch kann von dieser Welt abtreten und sagen: Ich habe keine Fehler gemacht oder: Mir ist alles geglückt.
Diese Paarbeziehung ist vom Schatten der Gewöhnlichkeit bedroht. Enttäuschungen am Partner sind normal, doch bei diesem Paar bedrohen sie die Beziehungsbalance. In meinem vorangestellten Beispiel auf Seite 23 verspürt der Mann eine leichte Enttäuschung, als er erfährt, dass seine Frau nicht Tänzerin, sondern »nur« Sekretärin ist. Vorerst tut es seiner Begeisterung keinen Abbruch, es ist nur eine kleine
Weitere Kostenlose Bücher