Damon Knights Collection 2
heute nachmittag sehen.«
»Du scherzt wohl! Ich kann doch jetzt nicht von hier fort!«
»Quatsch! Ich scherze nicht. Sie sagt, kein Einstöpseln, wenn wir nicht auftauchen. Sie will Pillen nehmen und schlafen, bis wir bei ihr sind.«
»Mein Gott! Das wagt sie nicht!«
»Ich habe Plätze reserviert. Wir fliegen um zwölf fünfunddreißig.« Sie starrten sich einen Augenblick stumm an, dann zuckte Herb die Achseln. Er war ein kleiner Mann, nicht dick, aber kräftig. John war über sechs Fuß groß, muskulös und hatte ein Temperament, das er, wie er wußte, zügeln mußte. Andere hatten den Verdacht, daß bald lauter Leichen herumlägen, wenn er ihm einmal freien Lauf ließe, aber er beherrschte es.
Früher war es ein physischer Akt, eine Anstrengung des Körpers und des Willens gewesen, dieses Temperament zu unterdrücken; jetzt war es etwas so Automatisches, daß er sich nicht einmal an eine Gelegenheit erinnern konnte, bei der es wieder auszubrechen drohte.
»Also, Johnny, wenn wir Anne sehen, so überlaß mir ihre Behandlung. Einverstanden? Ich werde es kurz machen.«
»Was willst du tun?«
»Ich werde ihr eine tüchtige Standpauke halten. Wenn sie anfängt, ihre Launen an mir auszulassen, werde ich sie so in Grund und Boden reden, daß sie eine Woche nicht mehr hochkommt.«
Er grinste. »Sie hat bisher immer ihren Willen durchgesetzt. Sie wußte, daß wir keinen Ersatz für sie hatten, wenn sie zickig wurde. Aber das soll sie jetzt einmal versuchen. Ja, das soll sie nur versuchen.« Herb ging mit raschen, ruckartigen Schritten auf und ab.
John erkannte mit einem Schock, daß er diesen untersetzten Mann mit dem roten Gesicht haßte. Das Gefühl war neu; er schien den Haß, den er empfand, fast schmecken zu können, und der Geschmack war fremd und angenehm.
Herb blieb stehen und starrte ihn kurz an. »Warum hat sie dich angerufen? Warum möchte sie, daß auch du hinkommst? Sie weiß doch, daß du mit dieser Sache nichts zu tun hast.«
»Sie weiß, daß ich dein Partner bin«, sagte John.
»Ja, aber das ist es nicht.« Herb verzerrte sein Gesicht zu einem Grinsen. »Sie glaubt, daß du noch immer scharf auf sie bist, nicht wahr? Sie weiß, daß du ihr einmal verfallen warst, am Anfang, als du sie bearbeitet hast, damit der Trick klappte.« Das Grinsen widerspiegelte keinen Humor mehr. »Hat sie recht, Johnny? Ist es das?«
»Wir haben ein Abkommen getroffen«, sagte John. »Du machst deine Sache, ich mache meine. Sie möchte, daß ich mitkomme, weil sie dir nicht traut oder dir kein Wort mehr glaubt. Sie möchte einen Zeugen haben.«
»Ja, Johnny. Aber vergiß unser Abkommen nicht.« Plötzlich brach Herb in Lachen aus. »Weißt du, wie es war, euch beide zusammen zu sehen? Wie eine Flamme, die versuchte, sich an einen Eiszapfen zu schmiegen.«
Um halb vier waren sie in Annes Suite im Skyline Hotel in Grand Bahama. Herb hatte den Rückflug nach New York um sechs Uhr gebucht. Anne hatte erst um vier Uhr frei, deshalb machten sie es sich in ihren Zimmern gemütlich und warteten. Herb schaltete den Bildschirm ein, reichte John einen Helm, doch der schüttelte den Kopf, und so setzten sie sich beide hin. John betrachtete einige Minuten den Bildschirm, dann stülpte auch er sich einen Helm über.
Anne schaute auf die Wogen weit draußen auf dem Meer, dort wo sie noch lang, grün, gewellt waren; dann holte sie den Blick zurück bis zu den blaugrünen und aufgewühlten Strandbrechern und schließlich zu den Sandbänken, wo sie in Schaum ausliefen, der einem fest genug aussah, um darauf gehen zu können. Sie war friedlich, schaukelte mit dem Boot mit, die heiße Sonne auf dem Rücken, die schwere Angelrute in den Händen. Sie schien ein träges Tier zu sein, das mit seiner Welt in Frieden, in ihr heimisch, mit ihr eins war. Nach wenigen Sekunden legte sie die Angel hin, drehte sich um und sah einen großen lächelnden Mann in Badehose an. Er streckte die Hand aus, und sie nahm sie. Sie gingen in die Kajüte, in der Getränke auf sie warteten. Ihre heitere Gelassenheit und Glückseligkeit brachen jäh ab, wichen schockierter Ungläubigkeit und beginnender Angst.
»Was zum Teufel …?« murmelte John und drehte an dem Lautverstärker. Man brauchte bei Anne den Lautverstärker nur selten.
»… Captain Brothers mußte sie laufen lassen. Schließlich hatten sie noch nichts ausgefressen –«, sagte der Mann trocken.
»Aber warum, meinst du, wollen sie mich berauben?«
»Wer hat denn hier sonst Schmuck im
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