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Dampfnudelblues

Dampfnudelblues

Titel: Dampfnudelblues Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rita Falk
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gemacht wurde, kann das hinterher kein Mensch mehr feststellen. Wenn wir uns hier einmal den Hals anschauen, zum Beispiel«, sagt er, nimmt den Kopf hoch und deutet auf die nach unten offene Gurgel. »Dann sind da rote Striemen. Siehst du sie?«
    Glasklar erkennbar.
    Ich nicke.
    »Das kann vom Zug herkommen. Muss aber nicht. Er kann wunderbar vorher erwürgt worden sein.«
    »Erwürgt«, sag ich so.
    Er platziert den Kopf wieder auf dem Tisch. Dieses Mal legt er ihn hin. Mit dem Gesicht nach oben. Er wackelt nach. Die leeren Augen tasten die Zimmerdecke ab.
    »Ja. Oder eben erstochen. Wie soll ich in diesem Fleischberg denn noch irgendwelche Stichwunden finden?«, sagt er und greift nach ein paar Batzen. Sie sind durchnummeriert.
    »Dünndarm«, sagt der Günter. »Magen«, sagt er weiter und hebt ein andres Fetzerl hoch. »Mageninhalt«, sagt er dann noch.
    Immer, wenn er an den Tisch stößt, wackelt dem Höpfl sein augloser Schädel.
    Mir graust’s.
    »Letzte Mahlzeit vermutlich Pizza. Hier Käse, Salami, Tomate.«
    »Wann ist der Leichnam frei?«, frag ich.
    »Sofort. Du kannst ihn gleich mitnehmen. Soll ich ihn dir in eine Tupperbox packen?«
    Wir grinsen.
    »Also Fremdverschulden nicht auszuschließen?«
    »Auf keinen Fall. Alles ist möglich. Aber leider nicht mehr zu beweisen. Jedenfalls nicht von meiner Seite. Da wirst du wohl selber noch ackern müssen, Franz Eberhofer aus Niederkaltenkirchen bei Landshut.«
    »Wegen der Kleidung, ist da noch was brauchbar?«
    »Ich würd sagen, für die Altkleidersammlung reicht es nicht mehr. Was willst du wissen? Alles gute Stoffe, Leinen, Leder, gute Baumwolle. Alles sehr teuer vermutlich«, sagt er und hebt jedes Mal ein Tütchen in die Höhe, in dem sich wohl die Kleiderreste befinden.
    »Waren Stiefel dabei? So eine Art Kampfstiefel?«
    »Wenn sie aus rehbraunem Nappaleder waren, ist es gut möglich. Sonst eher nicht.«
    »Keine schwarzen derben Lederreste?«
    »Nicht bei dieser Leiche. Sorry.«
    Mehr wollt ich eigentlich nicht wissen. Die Stiefel hat er also nicht getragen, das steht fest. Aber immerhin könnte es gut ein Mord gewesen sein. Ausgezeichnet.
     
    Ich mach mich auf den Heimweg. Im Zug geht mir alles noch einmal durch den Kopf: Der Birkenberger, die Gerichtsmedizin, der wackelnde Kopf, die Batzerl, die Tüterl, die Tupperbox. Vermutlich muss ich ziemlich blöd schauen. Und zwar so dermaßen blöd, dass mich der Schaffner ganz ernsthaft und mitfühlend auf den Behindertentarif aufmerksam macht.
     
    Drei Tage später ist die Beerdigung. Ich geh also hin und schau mir das an. Weil man ja oft hört, dass Mörder gern bei den dazugehörigen Beerdigungen rumlungern.
    Aber hier lungert kein Mörder herum. Im Grunde lungert überhaupt niemand herum. Außer der Frau Höpfl ist nämlich niemand da. Nicht einmal seine Kollegen. Die haben einen Kranz geschickt. »Letzter Gruß« steht drauf.
    Dann kommt noch die Mooshammer Liesl mit dem Radl. Aber die ist eigentlich auf allen Beisetzungen hier im Dorf. Hobbymäßig sozusagen. Jetzt sind wir zu viert. Ich, der Pfarrer, die Liesl und die Frau Höpfl. Und die ist noch nicht einmal in Schwarz. Sie trägt Dunkelbraun und das kleidet sie einwandfrei.
    Der Pfarrer fragt, ob wir so weit sind. Was glaubt der? Dass wir vorher noch schafkopfen wollen?
    Die Frau Höpfl nickt. Er fängt an.
    Nachdem wir drei unsere Erdschäufelchen über den Sarg geschüttet haben, kommen die Totengräber. Für uns gibt’s hier nichts mehr zu tun. Die Liesl haut noch einen Ratsch mit dem Pfarrer heraus und der sagt, ich soll die Oma schön grüßen. Das werd ich tun.
    Dann geh ich mit der Frau Höpfl den Kiesweg zum Eingang entlang.
    »Es waren ja überhaupt keine Menschen da«, sagt sie. »Noch nicht einmal seine Kollegen.«
    »Ja, Sie sind gut. Es ist doch jetzt Viertel vor elf. Mitten am Vormittag. Die haben halt alle noch Unterricht«, sag ich.
    Sie bleibt stehen und schaut mich an. Ich merk schon gleich, dass das jetzt wohl blöd war.
    »Also, lieber Herr Eberhofer. Bei allem Respekt. Aber wenn ein Schulrektor stirbt, dann steht die ganze Schule still. Zumindest am Tag seiner Beerdigung.«
    Wir gehen weiter. Weil sie natürlich recht hat, weiß ich jetzt auch nichts mehr zu sagen. Ich bring sie zum Auto.
    »Ich melde mich, sobald ich was weiß«, sag ich so zum Abschied. Sie drückt mir die Hände und steigt ein. Die Mooshammer Liesl düst mit dem Fahrrad daher.
    »So was hab ich ja in meinem ganzen Leben noch nicht gesehen«, schreit

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