Dampfnudelblues
Krankenwagen mit, der Birkenberger fährt im Streifenwagen hinterher. Das heißt, zuerst fährt er hinterher. Dann überholt er uns nämlich. Mit Blaulicht und Sirene. Und er drückt ordentlich aufs Gas. Irgendwie muss das ansteckend sein. Weil dann nämlich auch der Krankenwagenfahrer abzischt, dass alles nur so wackelt.
Der Sieglechner liegt auf der Trage wie ein verreckter Hund und ein Sanitäter schneidet ihm die Hose runter. Er hat eine Tätowierung am linken Bein. Also der Sieglechner, mein ich. Eine siebenflammige Granate, sagt er auf meine Nachfrage hin.
Eine siebenflammige Granate, also. Ja, genauso schauen seine Beine jetzt aus. Als hätt da eine siebenflammige Granate eingeschlagen.
Dann legt der Sani ungefähr eine Million Kompressen drauf. Es blutet nicht mehr so stark wie vorhin, der Schmerz aber muss noch beachtlich sein. Dem Bruno laufen die Tränen übers Gesicht.
»Sag dem Arschloch, ich verklage ihn auf Schmerzensgeld.«
»Das solltest du dir aber gut überlegen. Er ist dein Rettungssanitäter.«
»Den mein ich doch gar nicht. Den Schützen mein ich, der wo mich so zugerichtet hat.«
»Der Birkenberger? Das solltest du dir auch gut überlegen. Der hat nämlich eine Kindesentführung vereitelt. So was kommt immer gut an bei den Juristen.«
Er nickt. Dann greift er nach meiner Hand.
»Du, Franz«, sagt er jetzt mit krächzender Stimme.
»Ja?«, frag ich nach.
»Du, das mit der Kleinen vorhin, das war doch nicht mein Ernst. Nie im Leben … niemals hätt ich der Kleinen was antun können, weißt.«
»Aber du hättest sie mitgenommen.«
Er nickt ziemlich kraftlos.
»Ja, ich hätte sie mitgenommen. Aber ich hätte ihr nie nicht was angetan. In meinem ganzen Leben nicht. Das weißt du genau!«
Er schwitzt jetzt aus allen Poren. Trotzdem bring ich es nicht fertig, meine Hand zurückzufordern.
»Der Marcel, weißt du, der war mein Sohn. Und seit er auf der Welt war, hab ich noch nie was für ihn tun können. Weil ich immer nur davongelaufen bin. Vor der ganzen Verantwortung und so weiter. Und jetzt … jetzt wo ich mich endlich aufgerafft hab, der Vergangenheit gegenüberzutreten, dann kommt so was.«
»Was, so was?«
»Ja, das, was ich da halt alles gesehen hab. Es war einfach unerträglich für mich, Franz. Das musst du verstehen.«
Ich nicke, weil ich es wirklich verstehe.
»Und dann stirbt uns der Bub einfach weg.«
Er legt die Hand über die Augen und schluchzt. Ich drück ihm die andere.
»Es war eine Überdosis, Bruno. Da kann halt niemand was dafür.«
Er nickt. Und er schluchzt.
»Er hätte ihn nur zufriedenlassen brauchen, der Höpfl.Dann hätt ich ihm kein Haar gekrümmt. Ganz bestimmt nicht.«
»Wenn es der Höpfl nicht gewesen wär, dann hätt sich der Bub einen anderen gesucht. Er hat das Geld gebraucht und fertig. Im Grunde war es das falsche Opfer, Bruno. Die verdammten Dealer müsste man umlegen.«
»Die kommen als Nächstes!«
»Vorerst einmal nicht«, sag ich und dann treffen wir auch schon im Krankenhaus ein.
»Kannst du nach der Angie schauen? Bitte!«, fragt er noch mit flehenden Blicken.
»Ja, freilich. Was weiß sie darüber?«
»Nichts. Die Angie weiß überhaupt nichts. Sie war einfach nur froh, dass ich wieder da bin und fertig. Froh, dass wir jetzt vielleicht endlich mal eine richtige Familie werden.«
Ich glaub, ich hab noch nie einen Mann so dermaßen weinen sehen. Außer dem Leopold natürlich. Der macht aber auch immer ein Mords-Tamtam, wenn ihm eine von seinen Weibern abhaut. Aber er beruhigt sich dann immer verblüffend schnell wieder. Er rechnet kurz nach, wie viel ihn das Ganze wohl kostet, und wenn es sich einigermaßen in Grenzen hält, ist es auch wieder gut.
Wo waren wir stehen geblieben? Ah, ja genau, also der Sieglechner weint jetzt wie ein Kleinkind und beruhigt sich gar nicht mehr. Ganz im Gegenteil.
Wie ihn dann endlich die Sanis wegbringen, bin ich wirklich ziemlich erleichtert. Man kommt ja direkt selber noch zu Depressionen bei so was.
Dann ruf ich erst mal den Staatsanwalt an. Er sagt, er schickt eine Wache vorbei. Wobei das natürlich schon eher lächerlich ist. Wo soll der Bruno denn auch hin, mit zwei durchlöcherten Beinen.
Wie wir heimkommen, sind die Oma und der Papa noch wach und die kleine Sushi schläft friedlich in der Küche. Der Ludwig liegt im Hof, die Zunge hängt ihm aus dem Maul und er sabbert auf den Kies. Seine Atmung aber ist völlig normal. Die Oma hat zwischenzeitlich im Saustall das ganze Blut
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